Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil I Materielles Recht der Vermögensabschöpfung<br />
Fortführung der Lösung Fall 6<br />
Während – vorbehaltlich etwaiger Abzüge nach § 73c StGB – nach der Auffassung<br />
von Hohn die D. GmbH 24 Mio. DM – dieser Betrag entspricht als Bestechungsgeld<br />
dem Wert der Chance, den Zuschlag für das Projekt zu erhalten – erlangt hätte,<br />
kommen 1. Strafsenat und die Oberlandesgerichte Köln und Thüringen, wenn auch<br />
mit unterschiedlichem Ansatz, zu dem wirtschaftlich betrachtet gleichen Ergebnis,<br />
dass die Gesellschaft 792 Mio. DM erlangt hätte, wohingegen nach der Rechtsprechung<br />
des 5. Senats nur auf ein Erlangtes in Höhe von 24 Mio. DM + 8 Mio. DM (als<br />
Gewinn) abgestellt werden kann.<br />
Diese auf den ersten Blick erheblichen Meinungsunterschiede relativieren sich aber<br />
bei näherer Analyse des Falls sofort wieder.<br />
Die D. GmbH, die sich in Insolvenz befand, hatte nämlich erhebliche Verluste erzielt,<br />
weshalb das LG Köln – wenn auch nicht mit zutreffender Begründung – im Ergebnis<br />
jedoch zu Recht – vom BGH bestätigt - einen Härtefall nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1<br />
StGB angenommen hat.<br />
Neben dem 5. Strafsenat wären somit auch die übrigen Auffassungen zu dem Ergebnis<br />
gekommen, dass eine Verfallsanordnung insgesamt ausscheidet.<br />
Dieses Ergebnis bestätigt die eingangs formulierte These, dass eine (normative) Begrenzung des<br />
Verfallsausspruchs entweder schon tatbestandlich bei der Bestimmung des (unmittelbar) Erlangten<br />
im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB oder aber später im Rahmen der Prüfung des § 73c<br />
StGB möglich ist.<br />
Unterschiede können sich indes daraus ergeben, dass eine Begrenzung auf tatbestandlicher Ebene<br />
des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend zum (anteiligen) Ausschluss des Verfalls führt, während<br />
die tatbestandliche Annahme der Entreicherung i.S.d. § 73c Abs. 1 Satz Alt. 1 StGB lediglich Ermessen<br />
eröffnet, von einer solchen Anordnung (teilweise) abzusehen.<br />
Losgelöst davon ist die Rechtsprechung des 5. Strafsenats dogmatisch betrachtet zweifelhaft.<br />
Bereits Saliger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Senat bei der konkreten Bestimmung<br />
des wirtschaftlichen Auftragswerts mit dem Bruttoprinzip bricht. Der BGH lasse nämlich mit dem<br />
vorrangigen Abstellen auf den „Nettogewinn“ genau jenes Verrechnen von Leistung und Gegenleistung<br />
zu, das das Bruttoprinzip an sich ausschließt 69 . Davon losgelöst erscheinen aber auch die<br />
von den beiden Strafsenaten – teilweise ohne nähere Begründung – als maßgeblich anerkannten<br />
Prinzipien der „Unmittelbarkeit“ und der „(Nicht-)Bemakelung“ von schuldrechtlichem<br />
Vertrag und Erfüllungsvertrag nicht unbedingt geeignet zu sein, zu unterscheidungskräftigen Differenzierungen<br />
zu gelangen 70 . Vieles spricht daher dafür, sich in derartigen Fällen nicht von einem<br />
engen Unmittelbarkeitserfordernis leiten zu lassen und die versprochene oder erlangte Leistung,<br />
auf die die Tat jedenfalls nach ihrem Fernziel ausgerichtet ist, als erlangt anzusehen. Korrekturen<br />
können dann über § 73c StGB vorgenommen werden 71 .<br />
a. Kein Fall des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB 72<br />
Der Verfall ist in den Fällen des Erlangens aus der Tat ausgeschlossen, wenn Ansprüche von Verletzten<br />
aus der Straftat (abstrakt) vorhanden sind.<br />
Diese Regelung bezweckt, dass zum einen Ansprüche von Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2<br />
StGB gegenüber sonstigen Gläubigern privilegiert behandelt werden; zum anderen soll eine zweifache<br />
Inanspruchnahme des Täters oder Teilnehmers ausgeschlossen werden 73 .<br />
69<br />
Saliger, a.a.O.; zust. Lohse, a.a.O.; so auch BGH, Urteil vom 30.05.2008, 1 StR 166/07, Rn. 108.<br />
70<br />
Vgl. Burghart, wistra 2011, 241 ff.; Wiedner, Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 73<br />
StGB Rn. 27.<br />
71<br />
Wiedner a.a.O.<br />
72<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen im 3. Teil „Rückgewinnungshilfe zu Gunsten von Verletzten aus Straftaten“.<br />
73<br />
Joecks, Münchener Kommentar (MK), StGB Band 2/1 §§ 52-79b, 2005, § 73 Rn. 36.<br />
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