Texte - Sauerlandmundart
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Dorfleben ► Vom Essen und Trinken<br />
Unsere bekannte Brennnessel hat<br />
noch eine Schwester, die bis zu drei<br />
Meter wachsen kann, natürlich robuster<br />
und mit einem dickeren, festen Stängel.<br />
Das „Institut für angewandte Botanik“<br />
in Hamburg hat sie gezüchtet. —<br />
Bei Lüchow-Dannenberg, bekannt<br />
durch das Atom-Endlager, lässt ein<br />
Stoffhändler auf weiten Feldern diese<br />
Art anbauen. Er will aus den Stängeln<br />
die Fasern lösen, sie verspinnen und einen<br />
Stoff daraus weben – wie man das<br />
bei Flachs ja auch macht. Das ist nun<br />
keine neue Methode. Bereits im Mittelalter<br />
und auch noch in der armen Zeit<br />
während des Zweiten Weltkrieges ist<br />
man so vorgegangen.<br />
Jede Frau weiß, dass man Nessel-<br />
Stoff kaufen kann. Zu unserer Zeit aber<br />
besteht der aus Baumwolle. Früher<br />
kannte man bei uns diese ausländische<br />
Faser nicht, statt dessen verarbeitete<br />
man eben die Brennnessel.<br />
Bereits das Wort zeigt ja die Beziehung<br />
von Pflanze und Stoff: Nessel, im<br />
Niederdeutschen Niëttele oder Nettel,<br />
ist verwandt mit dem Wort Netz. Ein<br />
Netz wird geknüpfte, gewebt oder genäht.<br />
So sagen die Engländer zu nähen<br />
– to net. Auch am Wort Nadel, Nootel<br />
– im Englischen „needle“ – bemerkt<br />
man die Verwandtschaft mit Niëttele,<br />
mit Brennnessel.<br />
Als ich die Geschichte von den langen<br />
Feldern in Niedersachsen mit Riesen-Brennnesseln<br />
las, erinnerte ich<br />
mich an eine Redensart der alten Leute<br />
in früherer Zeit. Wenn sie einer Sache<br />
nicht so recht trauten, meinten sie: „Er<br />
wird sich wohl nicht in die Nesseln setzen!“<br />
77<br />
Unse heïmische Niëttele het noch ne<br />
Süster, dei bit tau drei Meïter wassen<br />
kann, natürlich robuster un met nem dickeren,<br />
festen Stengel. Dat „Institut für<br />
angewandte Botanik“ in Hamburg het<br />
diëse Planten getüchtet. —<br />
Bie Lüchow-Dannenberg, bekannt<br />
diurrech dat Atom-Endlager, lött en<br />
Stoffhängeler wië Feller domet aanbuggen.<br />
Hei well ut dian Stengelen de<br />
Fasern löüsen, se verspinnen un en<br />
Stoff wiaben – as me dat ouk bie Flaß<br />
maket. Dat is keine nigge Insicht. Alt<br />
im Mittelalter un ouk noch in der aremen<br />
Tied im Twetten Weltkriege het<br />
me dat feïerig gebracht.<br />
Jeïde Fraue weït, dat me Nesselstoff<br />
koupen kann. Dei is in unser Tied abber<br />
ut Boumwolle gewiabet. Freuher<br />
kannte me bie uns diëse utländische<br />
Faser nit, dofiür bruchte me iabend dei<br />
Niëttelen.<br />
Alt dat Woort lött de Verbindunge<br />
van der Plante un dem Stoff oplüchten:<br />
Nessel, op Platt Niëttele odder Nettel,<br />
is verwandt met Netz. En Netz wert<br />
geknüppet, gewiabet odder genäht. Sou<br />
siët de Engländer fiür nähen – to net.<br />
Sougar dat Woort Nootel, Nadel – im<br />
Englischen „needle“ – is van Niëttele<br />
hiargekummen.<br />
As iëck dei Geschichte van den langen<br />
Fellern met Riesen-Niëttelen in<br />
Niedersachsen loos, feil mie in, wat dei<br />
ollen Lüh freuher mannegmol meintent,<br />
wann sei ner Sake nit sou ganz truggetent.<br />
Sei sachtent: „Hei wert siëck wall<br />
nit in de Niëttelen setten!“