Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
III,5<br />
119<br />
5. Kapitel<br />
Die innere Demut.<br />
Du möchtest aber tiefer in <strong>die</strong> Demut eingeführt werden; denn was ich<br />
dir bisher sagte, betrifft mehr <strong>die</strong> Klugheit als <strong>die</strong> Demut. Ich gehe also<br />
auf deinen Wunsch ein.<br />
1. Manche wollen nicht an <strong>die</strong> Gnaden denken, <strong>die</strong> <strong>Gott</strong> ihnen im besonderen<br />
geschenkt hat, und wagen sie nicht zu betrachten, weil sie fürchten,<br />
darüber eitel und eingebildet zu werden; das <strong>ist</strong> aber ein Irrtum.<br />
Nach dem hl. Thomas <strong>von</strong> Aquin <strong>ist</strong> der Weg zur <strong>Gott</strong>esliebe <strong>die</strong> Erwägung<br />
seiner Wohltaten. Gnaden, <strong>die</strong> wir im besonderen empfangen, bewegen<br />
uns mehr als jene, <strong>die</strong> alle erhalten, daher sollen wir sie auch<br />
eingehender betrachten.<br />
Gewiß kann uns angesichts der Güte <strong>Gott</strong>es nichts mehr demütigen als<br />
<strong>die</strong> Fülle seiner Wohltaten und angesichts seiner Gerechtigkeit nichts<br />
mehr erniedrigen als <strong>die</strong> Menge unserer Sünden. Erwägen wir, was er für<br />
uns getan und was wir gegen ihn verbrochen haben; ebenso wie wir unsere<br />
Fehler genau betrachten, so erwägen wir auch <strong>die</strong> Gnaden <strong>Gott</strong>es in<br />
allen Einzelheiten.<br />
Wir brauchen nicht zu fürchten, daß uns <strong>die</strong> Kenntnis dessen aufbläht,<br />
was <strong>Gott</strong> in uns hineingelegt hat, wenn wir uns nur <strong>die</strong> Wahrheit vor<br />
Augen halten, daß nicht <strong>von</strong> uns stammt, was Gutes in uns <strong>ist</strong>. Sind <strong>die</strong><br />
Maulesel weniger dumm und stinkend, wenn sie kostbares und duftendes<br />
Gepäck eines Fürsten tragen? Was haben wir denn Gutes, das wir nicht<br />
empfangen hätten? Haben wir es aber empfangen, welches Recht haben<br />
wir dann, darüber stolz zu sein? Wir werden im Gegenteil durch <strong>die</strong><br />
eingehende Betrachtung der empfangenen Gnaden nur demütiger werden,<br />
denn <strong>die</strong> Erkenntnis führt zur Erkenntlichkeit. Fühlst du aber beim<br />
Blick auf <strong>die</strong> Gnaden, <strong>die</strong> <strong>Gott</strong> dir gegeben, den Kitzel der Eitelkeit,<br />
dann schau auf deinen Undank, deine Unvollkommenheit und Armseligkeit,<br />
und du wirst unfehlbar geheilt. Denken wir an das, was wir verbrochen,<br />
als <strong>Gott</strong> nicht mit uns war, dann wird uns klar, daß das nicht auf<br />
unserem Boden gewachsen und nicht <strong>von</strong> uns <strong>ist</strong>, was wir vollbringen,<br />
wenn er mit uns <strong>ist</strong>. Wir werden es genießen und uns über seinen Besitz<br />
freuen, aber <strong>Gott</strong> allein <strong>die</strong> Ehre dafür geben, denn er allein <strong>ist</strong> dessen