Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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IV,11<br />
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gesetzt b<strong>ist</strong>. Bieten sich Gelegenheiten dazu nicht <strong>von</strong> selbst, dann geh<br />
ihnen entgegen, um ihnen zu begegnen. So wirst du dein Herz stark machen,<br />
daß es auftretenden Versuchungen standzuhalten vermag.<br />
11. Kapitel<br />
Von on der Unruhe.<br />
Die Unruhe <strong>ist</strong> nicht einfach eine Versuchung, sondern <strong>die</strong> Quelle vieler<br />
Versuchungen. 1 Die Traurigkeit <strong>ist</strong> ein seelischer Schmerz über ein Übel,<br />
das uns gegen unseren Willen zustößt, gleichgültig, ob <strong>die</strong>ses Übel <strong>von</strong><br />
außen kommt wie Armut, Krankheit, Verachtung, oder unserem Ge<strong>ist</strong><br />
anhaftet wie Unwissenheit, ge<strong>ist</strong>liche Dürre, Widerwillen, Versuchung.<br />
Wenn <strong>die</strong> Seele fühlt, daß sie <strong>von</strong> einem Übel betroffen wird, dann <strong>ist</strong> sie<br />
darüber mißgestimmt, daß ihr etwas mangelt; das <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Traurigkeit. Sie<br />
möchte sofort da<strong>von</strong> frei werden und sieht sich nach Mitteln dafür um.<br />
Soweit handelt sie richtig, denn jedermann sucht sein Wohl und flieht,<br />
was er für ein Übel hält.<br />
Sucht nun <strong>die</strong> Seele nach Mitteln zur Befreiung vom Übel, weil sie<br />
<strong>Gott</strong> liebt, so wird sie sich darum geduldig, demütig, sanftmütig und<br />
ruhig bemühen und <strong>die</strong> Befreiung mehr <strong>von</strong> der Güte der Vorsehung<br />
<strong>Gott</strong>es erhoffen als <strong>von</strong> ihrem eigenen Bemühen, ihrer Anstrengung und<br />
Geschicklichkeit. Strebt sie <strong>die</strong>se Befreiung aber aus Eigenliebe an, so<br />
wird sie sich auf der Suche nach den geeigneten Mitteln aufregen und<br />
erhitzen, als ob ihr Wohl mehr <strong>von</strong> ihr selbst als <strong>von</strong> <strong>Gott</strong> abhinge. Ich<br />
sage nicht, daß sie das denkt, sondern ich sage, sie regt sich auf, als ob sie<br />
so dächte.<br />
Findet sie nun nicht, was sie wünscht, dann kommt große Unruhe und<br />
Ungeduld über sie. Das Übel weicht nicht, es wird im Gegenteil schlimmer,<br />
<strong>die</strong> Seele wird zutiefst geängstigt und verzagt. Mut und Kraft schwinden<br />
dahin, sodaß ihr das Übel schließlich unüberwindlich scheint. So<br />
gebiert <strong>die</strong> anfangs vernünftige Traurigkeit <strong>die</strong> Unruhe, <strong>die</strong>se Unruhe<br />
wieder bewirkt ein Wachsen der Traurigkeit, <strong>die</strong> dann äußerst gefährlich<br />
wird.<br />
Die Unruhe <strong>ist</strong> nach der Sünde das größte Übel, das eine Seele treffen<br />
kann. Wie Bürgerkriege und Aufstände einen Staat ruinieren und so<br />
schwächen, daß er einem Feind <strong>von</strong> außen keinen Widerstand mehr zu<br />
le<strong>ist</strong>en vermag, so verliert auch <strong>die</strong> Seele durch Verwirrung und Unruhe<br />
<strong>die</strong> Kraft, bereits erworbene Tugenden zu bewahren, und damit auch <strong>die</strong>