Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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che Bewegungsfreiheit besitzen, d. h. ob sie noch ihre Aufgabe erfüllen<br />
und der Versuchung wie der Lust ihre Zustimmung verweigern. Solange<br />
sich noch <strong>die</strong>se Weigerung regt, haben wir <strong>die</strong> Gewißheit, daß <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong><br />
noch in der Seele lebendig <strong>ist</strong>, daß Jesus unser Heiland sich noch in unserer<br />
Seele aufhält, wenn auch unsichtbar verborgen; durch inständiges<br />
Beten, häufigen Empfang der heiligen Sakramente und <strong>Gott</strong>vertrauen<br />
wird unsere Kraft sich wieder erneuern und volles, freudiges Leben uns<br />
wieder beseelen.<br />
6. Kapitel<br />
W ie können Versuchung und Lust Sünde sein?<br />
Die Prinzessin, <strong>von</strong> der wir sprachen, trifft keine Schuld an dem unanständigen<br />
Antrag, der ihr gegen ihren Willen gemacht wurde. Wäre sie<br />
dem, der um ihre Gunst warb, auch nur im geringsten entgegengekommen,<br />
so wäre sie ohne Zweifel mitschuldig und ver<strong>die</strong>nte Tadel und Strafe,<br />
wenn sie auch noch so sehr <strong>die</strong> Beleidigte spielen wollte.<br />
So kann zuweilen schon <strong>die</strong> Versuchung selbst Sünde sein, weil wir sie<br />
verursacht haben. Ich weiß z. B., daß ich beim Spielen leicht zornig werde<br />
und fluche; das Spielen bringt mich in <strong>die</strong>se Versuchung. Dann sündige<br />
ich, sooft ich spiele, und bin schuld an allen Versuchungen, <strong>die</strong> mir<br />
beim Spielen kommen. Ich weiß, daß bestimmte Gesellschaften mich in<br />
Versuchung führen und zu Fall bringen; gehe ich freiwillig hin, so bin ich<br />
ohne Zweifel verantwortlich für alle Versuchungen, <strong>die</strong> dort über mich<br />
kommen werden.<br />
Wenn <strong>die</strong> Lust, <strong>die</strong> aus der Versuchung entsteht, zurückgewiesen werden<br />
kann, <strong>ist</strong> es Sünde, sie anzunehmen; <strong>die</strong> Sünde <strong>ist</strong> groß oder gering, je<br />
nach dem Grad und der Dauer der Freude daran. Es wäre gewiß schlecht<br />
<strong>von</strong> jener Prinzessin, wenn sie den schmutzigen, unehrbaren Antrag nicht<br />
nur anhörte, sondern nachher noch mit Freude darüber nachdächte. Will<br />
sie auch das Schlechte nicht wirklich ausführen, das ihr angetragen wird,<br />
so hat sie ihm doch ge<strong>ist</strong>igerweise ihr Herz zugewandt durch das Wohlgefallen<br />
daran. Es <strong>ist</strong> aber immer unanständig, wenn Herz und Sinne sich<br />
mit Unehrbarem beschäftigen; ja, <strong>die</strong> Unlauterkeit liegt gerade darin,<br />
daß das Herz dafür eingenommen wird, denn der Leib kann gar nicht<br />
sündigen, wenn es nicht zustimmt.