Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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IV,14<br />
befreit zu werden. Gewiß darf man es wünschen, aber man darf sich nicht<br />
an <strong>die</strong>sen Wunsch klammern, sondern soll sich einfach und schlicht der<br />
liebevollen Vorsehung überlassen. <strong>Gott</strong> möge sich unser inmitten <strong>die</strong>ser<br />
dornigen Wüste be<strong>die</strong>nen, solange es ihm gefällt. Sagen wir also in solchen<br />
Zeiten zu <strong>Gott</strong>: „Vater, wenn es möglich <strong>ist</strong>, laß <strong>die</strong>sen Kelch an mir<br />
vorübergehen“; fügen wir aber auch mutig hinzu: „doch nicht mein Wille<br />
geschehe, sondern der Deine“ (Mt 26,39; Lk 22,42). Bleiben wir dabei<br />
so ruhig, als es uns nur möglich <strong>ist</strong>. Wenn <strong>Gott</strong> uns in <strong>die</strong>sem heiligen<br />
Gleichmut sieht, wird er viele Gnaden und Gunsterweise zu unserem<br />
Trost schicken, wie er sie Abraham gab, als er ihn entschlossen sah, sich<br />
<strong>von</strong> seinem Kind zu trennen. Er begnügte sich damit, ihn voll Gleichmut<br />
in <strong>die</strong>ser reinen Ergebung zu sehen, und tröstete ihn mit einer lieblichen<br />
Erscheinung und seinem wonnevollen Segen (Gen 22,15ff). Ebenso sollen<br />
auch wir bei allen Arten körperlicher und ge<strong>ist</strong>licher Leiden, bei<br />
Zerstreuungen und beim Verlust fühlbarer Frömmigkeit <strong>von</strong> ganzem<br />
Herzen und mit tiefer Ergebung sagen: „Der Herr hat mir Tröstungen<br />
geschenkt, der Herr hat sie genommen; sein heiliger Name sei gepriesen!“<br />
(Ijob 1,21). Wenn wir in <strong>die</strong>ser Demut verharren, wird er uns seine<br />
lieblichen Gunsterweise <strong>von</strong> neuem schenken, wie dem Patriarchen Ijob,<br />
der <strong>die</strong>se Worte in all seinen Nöten stets wiederholte.<br />
5. Vor allem verliere nicht den Mut in <strong>die</strong>sen Zeiten der Trockenheit<br />
und Unfruchtbarkeit. Geh ruhig deinen Weg weiter und warte geduldig<br />
auf <strong>die</strong> Rückkehr der Tröstungen. Gib deshalb keine Übung der Frömmigkeit<br />
auf, ja vermehre womöglich noch deine guten Werke. Kannst du<br />
deinem göttlichen Bräutigam nicht saftige Früchte anbieten, so gib ihm<br />
gedörrte; ihm gelten sie ebensoviel, wenn nur das Herz, das sie darbringt,<br />
völlig entschlossen <strong>ist</strong>, ihn zu lieben.<br />
Wenn der Frühling schön <strong>ist</strong>, verlegen sich <strong>die</strong> Bienen mehr auf das<br />
Honigsammeln als auf <strong>die</strong> Brut; das schöne Wetter lockt sie, emsig <strong>von</strong><br />
Blume zu Blume zu fliegen, um Honig einzuheimsen, so daß sie sich<br />
weniger um ihre Nachkommenschaft kümmern. Ist aber der Frühling<br />
rauh und neblig, daß sie nicht ausschwärmen können, um Honig zu sammeln,<br />
dann beschäftigen sie sich mehr mit der Vermehrung des Volkes.<br />
So geschieht es auch oft, daß <strong>die</strong> Seele im lieblichen Lenz ge<strong>ist</strong>licher<br />
Tröstungen ganz darin aufgeht, <strong>die</strong>se zu sammeln und sich an ihnen zu<br />
ergötzen, so daß sie bei der Fülle <strong>die</strong>ser wonnigen Freuden weniger gute<br />
Werke hervorbringt. Wird der Ge<strong>ist</strong> aber <strong>von</strong> Rauhreif oder Dürre heim-