Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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III,16<br />
gerade nicht da, wo man sie bräuchte; aller Wein im Keller <strong>ist</strong> sauer<br />
geworden oder gärt, und es bleibt nur schlechter und halbgegorener Wein.<br />
Oder man <strong>ist</strong> irgendwo auf dem Land, in einer armseligen Hütte, wo alles<br />
fehlt: Bett, Zimmer, Tisch und Be<strong>die</strong>nung. Jedenfalls wird es oft vorkommen,<br />
daß uns etwas abgeht, so reich wir auch sein mögen. Dann b<strong>ist</strong><br />
du in Wirklichkeit arm dadurch, daß dir verschiedenes fehlt. Sei froh,<br />
wenn dir solches zustößt, nimm es gern an und ertrag es fröhlich.<br />
Trifft dich ein Mißgeschick, das dich mehr oder minder arm macht, wie<br />
Hagel, Schadenfeuer, Überschwemmung oder Trockenheit, Diebstahl<br />
oder ein Prozeß, dann <strong>ist</strong> der rechte Augenblick gekommen, <strong>die</strong> Armut<br />
zu üben, <strong>die</strong> Minderung des Vermögens ruhig hinzunehmen, sich mutig<br />
und geduldig den ärmeren Verhältnissen anzupassen.<br />
Esau kam mit seinen stark behaarten Händen zum Vater, desgleichen<br />
Jakob (Gen 27). Weil aber <strong>die</strong> Haare auf den Händen Jakobs nicht in der<br />
eigenen Haut steckten, sondern im übergezogenen Fell, hätte man ihm<br />
<strong>die</strong> Haare ausreißen können, ohne ihm weh zu tun. Bei Esau dagegen war<br />
<strong>die</strong> Behaarung natürlich; wollte man ihm <strong>die</strong> Haare ausreißen, dann hätte<br />
er wohl Schmerz empfunden, geschrien und sich gewehrt. Hängt unser<br />
Herz am Geld, welche Klage, welche Unruhe und Aufregung, wenn ein<br />
Unwetter, ein Dieb oder Betrüger uns eines Teiles beraubt! Hängen wir<br />
nicht unser Herz an den Besitz, sondern verwenden darauf nur <strong>die</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Gott</strong> gewollte Sorgfalt, dann werden wir nicht Besonnenheit und Ruhe<br />
verlieren, sobald wir einen Verlust erleiden. In der Bekleidung <strong>ist</strong> ein<br />
Unterschied zwischen Mensch und Tier: dem Tier <strong>ist</strong> sie angewachsen,<br />
dem Menschen aber nur angezogen; er kann sie nach Belieben an- und<br />
ausziehen.<br />
16. Kapitel<br />
Wie <strong>ist</strong> man reich im Ge<strong>ist</strong> bei wirklicher Armut?<br />
B<strong>ist</strong> du tatsächlich arm, so sei es auch im Ge<strong>ist</strong>e. Mache aus der Notwendigkeit<br />
eine Tugend und schätze den kostbaren Edelstein der Armut<br />
nach seinem wahren Wert; <strong>ist</strong> auch sein Glanz in <strong>die</strong>ser Welt nicht sichtbar,<br />
er <strong>ist</strong> doch <strong>von</strong> großer Schönheit und hohem Wert.<br />
Ertrage deine Armut geduldig. Du b<strong>ist</strong> in guter Gesellschaft: der Heiland,<br />
Unsere liebe Frau, <strong>die</strong> Apostel, so viele Heilige waren arm und<br />
verachteten den Reichtum, den sie hätten haben können. Wie viele