Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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III,40<br />
207<br />
Hat eine Witwe Kinder, <strong>die</strong> noch ihre Führung und Leitung vor allem<br />
für <strong>die</strong> Erziehung und Versorgung brauchen, dann darf sie <strong>die</strong>se auf keinen<br />
Fall verlassen. Der hl. Paulus sagt ganz klar, daß sie dazu verpflichtet<br />
<strong>ist</strong>, um damit ihren Eltern den schuldigen Dank abzustatten. „Wenn jemand<br />
für <strong>die</strong> Seinen, besonders für seine Familie nicht Sorge trägt, der <strong>ist</strong><br />
schlimmer als ein Ungläubiger“ (1 Tim 5,8). Sind aber <strong>die</strong> Kinder so<br />
weit, daß sie keine Führung mehr brauchen, dann soll <strong>die</strong> Witwe alle<br />
Gedanken und Wünsche auf das eine Notwendige richten: auf den Fortschritt<br />
in der <strong>Gott</strong>esliebe.<br />
Wenn sie nicht wirklich im Gewissen verpflichtet <strong>ist</strong>, einen Prozeß<br />
oder andere aufregende Auseinandersetzungen zu führen, so rate ich ihr,<br />
da<strong>von</strong> <strong>die</strong> Finger zu lassen und ihre Geschäfte so ruhig und friedlich als<br />
möglich zu führen, auch wenn sie dann keinen so großen Gewinn abwerfen<br />
sollten. Der Gewinn solcher Streitigkeiten muß schon sehr hoch sein,<br />
um mit dem Gut des heiligen Friedens verglichen werden zu können,<br />
ganz abgesehen da<strong>von</strong>, daß Prozesse und ähnliche Auseinandersetzungen<br />
das Herz verwirren und den Feinden der Keuschheit nicht selten <strong>die</strong><br />
Pforte öffen; denn man nimmt nur zu leicht eine der Frömmigkeit widersprechende<br />
und <strong>Gott</strong> mißfällige Haltung ein, um jenen zu gefallen, deren<br />
Gunst man braucht.<br />
Die ständige Übung der Witwe soll das Gebet sein. Da ihre <strong>Liebe</strong> nur<br />
mehr auf <strong>Gott</strong> gerichtet <strong>ist</strong>, werden auch ihre Worte fast nur noch ihm<br />
gelten. Das Eisen kann der Anziehung des Magnets nicht folgen, wenn<br />
ein Diamant in seiner Nähe liegt; nimmt man ihn weg, dann bewegt sich<br />
das Eisen sofort auf den Magnet zu. So war auch <strong>die</strong> Frau zu Lebzeiten<br />
ihres Mannes daran gehindert, sich ganz in <strong>Gott</strong> zu versenken und dem<br />
Zug der göttlichen <strong>Liebe</strong> zu folgen; nach dem Tod ihres Mannes aber<br />
hindert sie nichts mehr, sich <strong>Gott</strong> hinzugeben und mit der Braut im<br />
Hohelied zu sagen: „Herr, jetzt, da ich ganz mir gehöre, nimm mich ganz<br />
als <strong>die</strong> Deine an. Zieh mich zu Dir hin, ich will Deinem Wohlgeruch<br />
eilends folgen!“ (Hld 1,3).<br />
Die einer Witwe eigentümlichen Tugenden sind vollkommene Bescheidenheit,<br />
Verzicht auf Ehren, Gesellschaften, Titel und andere Eitelkeiten,<br />
Dienst an den Armen und Kranken, das Trösten der Betrübten,<br />
<strong>die</strong> Anleitung der Mädchen zum frommen Leben, endlich das Beispiel<br />
aller Tugenden für <strong>die</strong> jungen Frauen. Sauberkeit und Einfachheit seien<br />
der Schmuck ihrer Kleidung, Demut und <strong>Liebe</strong> der Schmuck ihres Tuns,<br />
Aufrichtigkeit und Güte der Schmuck ihrer Sprache, Bescheidenheit und