Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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III,18<br />
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viele Vögel gespannt <strong>ist</strong>, um mehrere Männer damit zu fangen, was wird<br />
dann geschehen? Wer deine Schönheit bewundert, der wird auch dir gefallen;<br />
erst <strong>ist</strong> es nur ein zärtlicher Blick, den du zurückgibst, dann ein<br />
Zulächeln, ein verliebtes Wort, heimlich geflüstert, und bald schon folgt<br />
eine Vertraulichkeit, <strong>die</strong> zu offenen Zärtlichkeiten führt. Verschweige,<br />
meine Zunge, was das Ende <strong>ist</strong>! Nur <strong>die</strong>s will ich noch sagen: Keine der<br />
dummen <strong>Liebe</strong>leien <strong>die</strong>ser jungen Leute, Männer und Frauen <strong>ist</strong> frei <strong>von</strong><br />
dem gefährlichen Stachel. Alle <strong>die</strong>se <strong>Liebe</strong>ständeleien greifen ineinander<br />
und hängen zusammen, wie ein vom Magnet angezogenes Eisen wieder<br />
andere Eisenstücke anzieht.“<br />
Wie scharf <strong>die</strong>ser große Bischof <strong>die</strong> Dinge sieht! Was willst du tun? Du<br />
willst <strong>Liebe</strong> schenken, nicht wahr? Aber niemand gibt hier freiwillig, der<br />
nicht notwendig auch empfängt; nimmt er sie an, <strong>ist</strong> er schon in <strong>die</strong>sem<br />
Spiel gefangen. Die Pflanze Aproxis fängt Feuer, sobald sie es sieht. So<br />
ergeht es auch unserem Herzen: sobald es merkt, daß ein anderer in<br />
<strong>Liebe</strong> zu ihm entflammt <strong>ist</strong>, fängt es selbst Feuer.<br />
Vielleicht meint einer: „Ich will wohl ein wenig da<strong>von</strong> kosten, aber<br />
nicht zu weit gehen.“ Darin täuscht er sich leider. Du kannst dir nicht<br />
vorstellen, wie versengend und verzehrend <strong>die</strong>ses Feuer der <strong>Liebe</strong> <strong>ist</strong>. Du<br />
meinst, nur ein kleiner Funke sei in dein Herz gefallen, und mußt erstaunt<br />
feststellen, wie dein Herz plötzlich in hellen Flammen steht, <strong>die</strong><br />
deine guten Vorsätze in Asche legen und deinen guten Ruf in Rauch<br />
aufgehen lassen. Der Weise sagt: „Wer hat Mitleid mit einem Schlangenbeschwörer,<br />
wenn ihn <strong>die</strong> Schlange beißt?“ (Sir 12,13). So rufe ich euch<br />
zu: Ihr Narren! Glaubt ihr, <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> beschwören zu können, daß ihr sie<br />
nach Wunsch zu lenken vermögt? Ihr wollt mit ihr spielen, sie aber wird<br />
euch mit ihrem giftigen Biß verwunden. Und wißt ihr, was man dann<br />
sagen wird? Jeder wird sich über euch lustig machen und euch auslachen,<br />
weil ihr glaubtet, <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> bannen zu können, in falscher Sicherheit eine<br />
Natter an eurer Brust hegtet, <strong>die</strong> euch Seele und Ehre vergiftet und euch<br />
zugrundegerichtet hat.<br />
Mein <strong>Gott</strong>, welche Verblendung, den besten Teil unserer Seele so leichtsinnig<br />
mit so schwachen Bürgschaften aufs Spiel zu setzen! Ja, <strong>Gott</strong> will<br />
den Menschen nur der Seele wegen, <strong>die</strong> Seele nur des Willens wegen und<br />
den Willen nur der <strong>Liebe</strong> wegen. Wir haben nicht annähernd so viel<br />
<strong>Liebe</strong>skraft, als uns nötig wäre; wir sind unendlich weit da<strong>von</strong> entfernt,<br />
<strong>Gott</strong> hinreichend zu lieben, und wir Elenden verschwenden und vergeuden<br />
unsere <strong>Liebe</strong> an so dumme, nichtige und leichtfertige Gegenstände,