Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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II,1<br />
71<br />
1. Kapitel<br />
Notwendigkeit des Gebetes.<br />
1. Nichts <strong>ist</strong> geeigneter, unseren Verstand <strong>von</strong> Unwissenheit und unseren<br />
Willen <strong>von</strong> seinen verderbten Anhänglichkeiten zu reinigen, als das Gebet,<br />
das unseren Verstand in <strong>die</strong> Helle göttlichen Lichtes rückt und unseren<br />
Willen der Wärme göttlicher <strong>Liebe</strong> aussetzt.<br />
Das Gebet <strong>ist</strong> <strong>die</strong> segensreiche Quelle, deren belebende Wasser <strong>die</strong><br />
Pflänzchen unserer guten Wünsche zum Grünen und Blühen bringen,<br />
jeden Makel <strong>von</strong> unserer Seele hinwegspülen und das <strong>von</strong> Leidenschaft<br />
erhitzte Herz abkühlen. 1<br />
2. Vor allem aber empfehle ich dir das Gebet des Ge<strong>ist</strong>es und des<br />
Herzens, ganz besonders jenes, das zum Gegenstand das Leben und Leiden<br />
des Heilands hat. Wenn du ihn oft betrachtest, wird deine Seele <strong>von</strong><br />
ihm erfüllt, du lernst seine Art und Weise kennen und deine Handlungen<br />
nach den seinen formen.<br />
Er <strong>ist</strong> das Licht der Welt. In ihm, durch ihn und für ihn müssen wir<br />
folglich erleuchtet werden. Er <strong>ist</strong> <strong>die</strong> sprudelnde Jakobsquelle (Joh 4,6),<br />
<strong>die</strong> uns <strong>von</strong> jedem Makel reinwäscht.<br />
Kinder lernen sprechen, indem sie der Mutter zuhören und alles nachzusprechen<br />
versuchen; so werden auch wir, wenn wir durch <strong>die</strong> Betrachtung<br />
beim Heiland weilen, seine Worte und Handlungen, sein Denken<br />
und Fühlen beobachten, bald durch seine Gnade reden, handeln und<br />
wollen lernen wie er selbst.<br />
Glaube mir, wir können zu <strong>Gott</strong> dem Vater nur durch <strong>die</strong>se Pforte (Joh<br />
14,6) gehen; denn wie der Spiegel unser Bild nicht auffinge, hätte er nicht<br />
eine Schicht Zinn oder Blei auf seiner Rückseite, so könnten auch wir<br />
auf Erden nicht <strong>die</strong> <strong>Gott</strong>heit betrachten, wäre sie nicht mit der heiligen<br />
Menschheit des Heilands verbunden, dessen Leben und Sterben der geeignetste,<br />
schönste und nützlichste Gegenstand für unsere gewöhnliche<br />
Betrachtung <strong>ist</strong>.<br />
Der Heiland nennt sich nicht ohne Grund das Brot, das vom Himmel<br />
herabgekommen <strong>ist</strong> (Joh 6,1); denn wie das Brot zu jeder Speise genossen<br />
wird, so sollen auch wir den Heiland in all unseren Gebeten und<br />
Handlungen betrachten, ansehen und suchen. 2 Sein Leben und Sterben<br />
wurde <strong>von</strong> verschiedenen Schriftstellern in Betrachtungen vorgelegt, so<br />
<strong>von</strong> Bonaventura, Bellintani, Bruno, Capiglia, Granada, de Ponte. 3