Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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III,9<br />
Hast du im Zorn gehandelt, dann mache den Fehler sofort wieder gut<br />
durch einen Akt der Sanftmut gegen jene, über <strong>die</strong> du in Zorn geraten<br />
b<strong>ist</strong>. Das beste Mittel gegen <strong>die</strong> Lüge <strong>ist</strong>, sie zurückzunehmen, sobald<br />
man sich ihrer bewußt wird; so <strong>ist</strong> es auch ein gutes Heilmittel gegen den<br />
Zorn, ihn schnellstens durch einen Akt der Sanftmut wieder gutzumachen.<br />
Es heißt doch, daß frische Wunden am raschesten heilen.<br />
Lege dir ferner einen Vorrat an Ruhe und Sanftmut an in der Zeit, da du<br />
ruhig b<strong>ist</strong> und keinen Anlaß zum Zorn hast, indem du alles, Großes und<br />
Kleines, so ruhig und sanft wie möglich sagst und tust. Erinnere dich, daß<br />
<strong>die</strong> Braut im Hohelied den Honig nicht nur auf der Zunge und auf den<br />
Lippen hat, sondern auch im Herzen (Hld 4,11), und nicht nur Honig,<br />
sondern auch Milch. So sollen nicht nur unsere Worte voll Milde gegen<br />
den Nächsten sein, sondern auch unser Herz, unsere ganze Gesinnung.<br />
Und nicht nur duftenden Honig sollen wir haben, d. h. Höflichkeit und<br />
<strong>Liebe</strong>nswürdigkeit im Verkehr mit Freunden, sondern auch süße Milch<br />
für <strong>die</strong> Hausleute und Nachbarn. In <strong>die</strong>ser Hinsicht verfehlen sich <strong>die</strong>jenigen<br />
schwer, <strong>die</strong> auf der Straße wie Engel sind, daheim aber Teufeln<br />
gleichen.<br />
9. Kapitel<br />
Sanftmut gegen sich selbst.<br />
Die Sanftmut können wir gut an uns selbst üben, indem wir über uns<br />
oder unsere Fehler niemals in Zorn geraten. Gewiß verlangt <strong>die</strong> Vernunft,<br />
daß uns <strong>die</strong> Fehler mißfallen und leid tun, aber <strong>die</strong>ses Mißfallen<br />
darf nicht bitter, ärgerlich und zornig sein. Darin fehlen viele, <strong>die</strong> nach<br />
einem Zornausbruch in Zorn geraten, weil sie zornig waren; sie ärgern<br />
sich über ihren Ärger und dadurch sind sie <strong>die</strong> Ursache, daß ihr Herz<br />
immer <strong>von</strong> Zorn wie durchtränkt <strong>ist</strong>. Wenn es auch scheint, als ob der<br />
zweite Zorn den ersten aus der Welt schaffen sollte, in Wirklichkeit bahnt<br />
er doch schon einen neuen Zornausbruch für <strong>die</strong> nächste Gelegenheit an.<br />
Übrigens laufen <strong>die</strong>ser Zorn und Ärger, <strong>die</strong>se Erbitterung über sich selbst<br />
auf den Stolz hinaus, ihre Wurzel <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Eigenliebe, <strong>die</strong> sich aufregt und in<br />
Unruhe gerät, weil sie uns noch unvollkommen findet.<br />
Die gewiß notwendige Abscheu vor unseren Fehlern muß also ruhig,<br />
ernst und fest sein. Das Strafurteil des Richters über den Verbrecher <strong>ist</strong>