Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
III,22<br />
161<br />
den nicht <strong>die</strong> Narben des Eisens an meinen Füßen sichtbar bleiben, d. h.<br />
werden nicht <strong>die</strong> seelischen Fesseln ihre Spuren hinterlassen? Nein, sie<br />
werden es nicht, wenn du den nötigen Abscheu vor dem Übel hast. Ist<br />
<strong>die</strong>s der Fall, dann wird dir keine andere Empfindung bleiben als ein<br />
tiefinnerliches Erschaudern vor <strong>die</strong>ser niedrigen <strong>Liebe</strong> und allem, was<br />
mit ihr zusammenhängt, und du wirst <strong>von</strong> jeder Anhänglichkeit daran<br />
frei sein; in dir wird nur <strong>die</strong> ganz reine <strong>Liebe</strong> zu <strong>Gott</strong> bleiben.<br />
Sollten aber wegen der Unvollkommenheit deiner Reue noch schlechte<br />
Neigungen zurückbleiben, dann verschaffe deiner Seele <strong>die</strong> ge<strong>ist</strong>ige<br />
Einsamkeit, <strong>von</strong> der ich früher gesprochen habe; zieh dich dorthin zurück<br />
und entsage <strong>die</strong>sen Neigungen durch stets erneute Anrufungen und<br />
Herzensgebete, verleugne sie aus allen Kräften, lies mehr als gewöhnlich<br />
in der Heiligen Schrift, beichte öfter als sonst, empfange <strong>die</strong> heilige Kommunion,<br />
sprich dich womöglich bei deinem Seelenführer schlicht und<br />
demütig über alle Gedanken und Versuchungen in <strong>die</strong>ser Hinsicht aus<br />
oder wenigstens bei einem treuen und klugen Freund. Zweifle nicht daran,<br />
daß <strong>Gott</strong> dich <strong>von</strong> allen Leidenschaften befreien wird, wenn du nur<br />
treu in <strong>die</strong>sen Übungen beharrst.<br />
Aber, wirst du mir entgegnen, <strong>ist</strong> das nicht undankbar, eine Freundschaft<br />
so hart abzubrechen? O selige Undankbarkeit, <strong>die</strong> uns <strong>Gott</strong> wohlgefällig<br />
macht! Nein, bei <strong>Gott</strong>, nein! Es <strong>ist</strong> keine Undankbarkeit, sondern<br />
eine große Wohltat, <strong>die</strong> du dem geliebten Menschen erwe<strong>ist</strong>, denn<br />
mit deinen Ketten zerbrichst du auch <strong>die</strong> seinen; sie waren euch ja gemeinsam.<br />
Wenn er auch nicht sofort einsieht, daß es so für ihn gut war,<br />
später wird er es wohl erkennen und dann mit dir <strong>Gott</strong> danken: „Herr,<br />
Du hast meine Ketten zerbrochen, ich will Dir ein Lobopfer darbringen<br />
und Deinen heiligen Namen anrufen“ (Ps 115,7).<br />
22. Kapitel<br />
Weitere Ratschläge über <strong>die</strong> Freundschaf<br />
reundschaft.<br />
Die Freundschaft setzt eine enge Verbundenheit und Gemeinsamkeit<br />
zwischen den Freunden voraus, sonst kann sie weder entstehen noch bestehen.<br />
Darum geschieht es auch oft, daß mit der Freundschaft noch anderes<br />
gegenseitig mitgeteilt wird, daß unmerklich gewisse Neigungen,<br />
Wünsche, Ansichten <strong>von</strong> Herz zu Herz überspringen oder sich einschleichen.<br />
Das trifft besonders dann zu, wenn wir unseren Freund sehr