Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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Entschluß, der göttlichen Majestät zu mißfallen. Ist es denn möglich, daß<br />
eine wohlgestaltete Seele <strong>Gott</strong> nicht nur mißfallen will, sondern noch<br />
Freude daran hat, ihm zu mißfallen?<br />
Solche Anhänglichkeit widerspricht der Frömmigkeit genau so, wie <strong>die</strong><br />
Anhänglichkeit an Todsünden der <strong>Gott</strong>esliebe. Sie schwächt <strong>die</strong> Seelenkräfte,<br />
behindert <strong>die</strong> Freude am Göttlichen, öffnet der Versuchung Tür<br />
und Tor; <strong>die</strong> Seele stirbt zwar nicht an ihr, aber sie wird doch schwer<br />
krank.<br />
„Tote Mücken“, sagt der Weise (Koh 10,1), „zerstören und verderben<br />
den Wohlgeruch der Salben.“ Er will sagen: Mücken, <strong>die</strong> nicht auf der<br />
Salbe sitzen bleiben, sondern nur im Vorübergehen da<strong>von</strong> naschen, verderben<br />
nur das, was sie nehmen; bleiben sie aber an der Salbe hängen, so<br />
daß sie zugrunde gehen, dann wird <strong>die</strong>se verdorben und unbrauchbar. So<br />
schaden auch läßliche Sünden einem frommen Menschen wenig, wenn er<br />
nicht an ihnen hängt; schlagen sie aber in der Seele Wurzeln, indem man<br />
sie lieb gewinnt, dann verderben sie <strong>die</strong> heilige Frömmigkeit.<br />
Die Spinnen töten nicht <strong>die</strong> Bienen, wohl aber verderben sie den Honig.<br />
Wenn sie im Bienenstock bleiben, dann überziehen sie <strong>die</strong> Waben<br />
mit ihrem Gewebe, und <strong>die</strong> Bienen können nicht mehr arbeiten. So tötet<br />
auch <strong>die</strong> läßliche Sünde nicht das Leben der Seele, sie verdirbt aber <strong>die</strong><br />
Frömmigkeit und behindert <strong>die</strong> Seelenkräfte so sehr durch schlechte<br />
Gewohnheiten und Neigungen, daß <strong>die</strong> frische Tatbereitschaft, darin <strong>die</strong><br />
Frömmigkeit besteht, lahmgelegt <strong>ist</strong>; <strong>die</strong>s allerdings nur, wenn <strong>die</strong> läßliche<br />
Sünde durch <strong>die</strong> Anhänglichkeit dauernd im Herzen wohnt.<br />
Es hat nicht viel zu bedeuten, wenn einem eine kleine Lüge unterlaufen<br />
<strong>ist</strong> oder wenn man einen kleinen Fehler in Worten, Handlungen, Blikken,<br />
in Kleidung, Schmuck, Spiel oder Tanz begangen hat, <strong>–</strong> vorausgesetzt,<br />
daß wir <strong>die</strong> Spinnen des Ge<strong>ist</strong>es sofort nach ihrem Eindringen aus<br />
dem Herzen verjagen und entfernen, wie es <strong>die</strong> Bienen mit den Spinnen<br />
machen. Denn gestatten wir ihnen, in unserem Herzen festen Fuß zu<br />
fassen, ja halten wir sie freiwillig fest und nähren sie, dann werden wir<br />
bald unseren Honig verdorben, unser Gewissen verpestet und zerstört<br />
sehen.<br />
Noch einmal frage ich: Wie kann eine hochherzige Seele Gefallen daran<br />
finden, <strong>Gott</strong> zu mißfallen? Wie kann sie es lieben, ihm weh zu tun? Wie<br />
kann sie etwas wollen, was er verabscheut?