Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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III,18<br />
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anderes als <strong>die</strong>s, so könnte man sie nicht Freundschaft nennen. Weil sie<br />
aber außerdem eine Lebens-, Arbeits-, <strong>Liebe</strong>s- und unauflösliche Treuegemeinschaft<br />
<strong>ist</strong>, deshalb <strong>ist</strong> <strong>die</strong> eheliche Gemeinschaft eine wahre und<br />
heilige Freundschaft.<br />
Freundschaft, <strong>die</strong> auf der Mitteilung sinnlicher Freuden beruht, <strong>ist</strong> etwas<br />
ganz Rohes und ver<strong>die</strong>nt den Namen Freundschaft ebensowenig wie eine,<br />
<strong>die</strong> auf gemeinen und nichtigen Eigenschaften beruht, weil auch sie <strong>von</strong><br />
den Sinnen abhängen. Sinnliche Freuden nenne ich solche, <strong>die</strong> unmittelbar<br />
und in erster Linie <strong>die</strong> äußeren Sinne betreffen, wie das Vergnügen,<br />
etwas Schönes zu sehen, eine angenehme Stimme zu hören, etwas zu<br />
berühren usw. Gemeine Eigenschaften nenne ich bestimmte Fähigkeiten,<br />
<strong>die</strong> <strong>von</strong> kleinen Ge<strong>ist</strong>ern für Vollkommenheiten gehalten werden.<br />
Hört nur einmal <strong>die</strong> Mehrzahl der Mädchen, Frauen und jungen Leute<br />
an, <strong>die</strong> sich nicht scheuen, einen Kavalier vollkommen zu nennen, bloß<br />
weil er gut tanzt, in allen Spielen bewandert <strong>ist</strong>, sich gut kleidet, schön<br />
singt, zu schmeicheln versteht und elegant aussieht. Die Komödianten<br />
halten den unter sich für den Tüchtigsten, der <strong>die</strong> tollsten Possen reißt. <strong>–</strong><br />
Das alles betrifft nur <strong>die</strong> Sinne, deshalb nennt man auch eine Freundschaft,<br />
<strong>die</strong> darauf beruht, eine sinnliche, eitle und gemeine. Sie ver<strong>die</strong>nt<br />
eher, Verrücktheit genannt zu werden als Freundschaft. So sind <strong>die</strong><br />
Freundschaften junger Leute, <strong>die</strong> sich in einen Schnurrbart, in gekräuselte<br />
Haare, zärtliche Blicke, schöne Kleider, in geckenhaftes Gebaren oder<br />
leeres Geschwätz verlieben. Wahrlich Freundschaften, würdig eines jugendlichen<br />
Alters, in dem Tugend und Urteil kaum knospen! Daher sind<br />
<strong>die</strong>se Freundschaften nur kurzlebig und vergehen wie der Schnee in der<br />
Sonne. 1<br />
18. Kapitel<br />
<strong>Liebe</strong>leien und Flirt.<br />
Leichtfertige Freundschaften <strong>die</strong>ser Art zwischen Personen verschiedenen<br />
Geschlechtes ohne ernste Eheabsichten nennt man <strong>Liebe</strong>leien oder<br />
Flirt. Da sie nur Mißgeburten oder Trugbilder <strong>von</strong> Freundschaft sind,<br />
ver<strong>die</strong>nen sie wegen ihrer beispiellosen Leere nicht den Namen Freundschaft<br />
oder <strong>Liebe</strong>: zwei Herzen fangen Feuer und verstricken sich ineinander<br />
in <strong>die</strong>ser eitlen, unsinnigen <strong>Liebe</strong>, deren läppische Grundlage ganz<br />
gewöhnliche Äußerlichkeiten sind. Tatsächlich entwickelt sich eine sol-