Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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nicht nur unnütz, sondern oft sogar schädlich <strong>ist</strong>, weil bloß betrachtete,<br />
aber nicht geübte Tugenden Ge<strong>ist</strong> und Herz nur aufblähen. Man meint<br />
dann, das zu sein, wozu man sich entschlossen hat; das stimmt dann,<br />
wenn <strong>die</strong> Entschlüsse lebendig und fest sind; das sind sie aber nicht,<br />
sondern eitel und gefährlich, wenn sie nicht ausgeführt werden. Deshalb<br />
muß man sich auf jede Weise bemühen, sie auszuführen, und dazu <strong>die</strong><br />
Gelegenheiten suchen, <strong>die</strong> großen wie <strong>die</strong> kleinen.<br />
Habe ich mir z. B. vorgenommen, durch Güte jene zu gewinnen, <strong>die</strong><br />
mich beleidigt haben, so suche ich an <strong>die</strong>sem Tag den Betreffenden zu<br />
begegnen, um sie freundlich zu grüßen; kann ich sie nicht treffen, dann<br />
will ich wenigstens gut <strong>von</strong> ihnen sprechen und für sie beten.<br />
2. Nach der Betrachtung mußt du dich in acht nehmen, deinem Herzen<br />
keinen Stoß zu versetzen; damit würdest du das Kostbare verschütten,<br />
das du durch <strong>die</strong> Betrachtung gewonnen hast. Ich will sagen: Bleib eine<br />
Zeit lang still, wende dich ganz ruhig vom Gebet zur Arbeit hin und halte,<br />
solange es dir möglich <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> Stimmung und Affekte fest, <strong>die</strong> du empfangen<br />
hast.<br />
Wer in einem schönen Porzellangefäß eine kostbare Flüssigkeit nach<br />
Hause trägt, wird gewiß vorsichtig gehen, nicht seitwärts, sondern vor<br />
sich hin schauen, um nicht über einen Stein zu stolpern oder einen Fehltritt<br />
zu machen; er wird auf das Gefäß schauen, ob er es auch gerade hält.<br />
So handle auch du nach der Betrachtung. Zerstreue dich nicht sogleich,<br />
sondern schau ruhig vor dich hin. Triffst du jemand, mit dem du sprechen<br />
mußt, so tu es ruhig, schau aber zugleich auf dein Herz, damit <strong>die</strong> kostbare<br />
Flüssigkeit deiner Ge<strong>ist</strong>essammlung so wenig wie möglich ausfließe.<br />
3. Du mußt auch lernen, vom Gebet zu jeder Arbeit überzugehen, <strong>die</strong><br />
dein Beruf und Stand verlangen, auch wenn sie weitab <strong>von</strong> den Affekten<br />
deiner Betrachtung liegt. So muß der Rechtsanwalt nach der Betrachtung<br />
an <strong>die</strong> Prozeßrede gehen, der Kaufmann zu seinem Geschäft, <strong>die</strong> verheiratete<br />
Frau an ihre Ehepflichten und häuslichen Arbeiten, <strong>–</strong> und das so<br />
ruhig und friedlich, daß es keine Störung im Seelenleben gibt. Das eine<br />
wie das andere <strong>ist</strong> ja <strong>Gott</strong>es Wille, darum muß man auch im Ge<strong>ist</strong> der<br />
Demut und Frömmigkeit vom einen zum anderen übergehen können.<br />
4. Zuweilen wird es vorkommen, daß dein Herz sogleich nach der<br />
Vorbereitung ganz <strong>von</strong> <strong>Gott</strong> ergriffen und bewegt <strong>ist</strong>. Dann überlaß dich<br />
ruhig <strong>die</strong>sem Zug ohne Rücksicht auf <strong>die</strong> Methode, <strong>die</strong> ich dir gegeben