Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe
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wir daran keine Freude haben wollen, kann uns dabei auch keine Schuld<br />
treffen. Der hl. Paulus litt lange Zeit unter Versuchungen des Fleisches;<br />
trotzdem mißfiel er <strong>Gott</strong> nicht, sondern <strong>Gott</strong> wurde dadurch sogar verherrlicht<br />
(vgl. 2 Kor 12,7ff). Die selige Angela <strong>von</strong> Foligno wurde <strong>von</strong> so<br />
grausamen sinnlichen Versuchungen gequält, daß man ihre Schilderung<br />
nicht ohne Ergriffenheit lesen kann. Schwere Versuchungen überfielen<br />
auch den hl. <strong>Franz</strong> <strong>von</strong> Assisi und den hl. Benedikt, <strong>von</strong> denen der eine<br />
sich in Dornen wälzte, der andere im Schnee, um sie zu mildern. Trotzdem<br />
verloren sie dabei nichts an Gnade bei <strong>Gott</strong>, sondern vermehrten sie<br />
noch bedeutend.<br />
Bleib also mutig in der Versuchung! Halte dich nie für besiegt, solange<br />
sie dir mißfällt. Achte wohl auf den Unterschied zwischen dem Gefühl<br />
und der Einwilligung. Man kann Versuchungen fühlen, und doch können<br />
sie uns mißfallen; man kann aber nicht zustimmen, ohne daß sie uns<br />
gefallen, denn das Gefallen daran <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Stufe, auf der man gewöhnlich<br />
zur Einwilligung hinabsteigt.<br />
Die Feinde unseres Heils mögen uns also vorspiegeln, was sie wollen,<br />
sie mögen uns locken und reizen, sie mögen Tag und Nacht vor der Pforte<br />
unseres Herzens stehen, um einzudringen, sie mögen uns noch so viele<br />
Vorschläge unterbreiten; solange wir entschlossen sind, keine Freude daran<br />
zu haben, <strong>ist</strong> es unmöglich, <strong>Gott</strong> dadurch zu beleidigen. So kann auch<br />
der Gemahl jener Prinzessin, <strong>von</strong> der wir vorhin sprachen, <strong>die</strong>ser nicht<br />
böse sein wegen der Botschaft, <strong>die</strong> ihr gesandt wurde, wenn sie keine<br />
Freude daran hatte. Trotzdem besteht ein Unterschied zwischen der Seele<br />
und <strong>die</strong>ser Prinzessin: Sie kann den Boten fortjagen und nicht anhören,<br />
es steht aber nicht in der Macht der Seele, <strong>die</strong> Versuchung nicht zu fühlen;<br />
das einzige, was sie vermag, <strong>ist</strong>, ihr nicht zuzustimmen. So kann uns<br />
also <strong>die</strong> Versuchung nicht schaden, solange sie uns mißfällt, auch wenn<br />
sie noch solange anhält.<br />
Was nun <strong>die</strong> Freude betrifft, <strong>die</strong> auf eine Versuchung folgt, muß man<br />
wissen, daß wir zwei Bereiche in unserer Seele haben: den niederen und<br />
den höheren. Der niedere folgt nicht immer dem höheren, sondern betreibt<br />
seine eigene Politik. Es kommt vor, daß der niedere Bereich unserer<br />
Seele an der Versuchung Gefallen findet, ohne Zustimmung, ja gegen<br />
den Willen des höheren. Auf <strong>die</strong>sen Streit und Krieg spielt der Apostel<br />
Paulus an, wenn er sagt, daß das Fleisch gegen den Ge<strong>ist</strong> begehrt (Gal<br />
5,17) und daß es ein Gesetz in den Gliedern und ein Gesetz des Ge<strong>ist</strong>es<br />
gibt (Röm 7,23).