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Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe

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III,23<br />

165<br />

Weg abweichen, wenn sie müde werden. So wenden sich auch junge Leute,<br />

wenn sie durch ein Übermaß an Fasten geschwächt sind, gern der<br />

Verweichlichung zu. Der Hirsch kann schlecht laufen, wenn er zu fe<strong>ist</strong><br />

und wenn er zu mager <strong>ist</strong>. So sind auch wir starken Versuchungen ausgesetzt,<br />

wenn unser Leib zu gut genährt oder wenn er ermattet <strong>ist</strong>. Im ersten<br />

Fall wird er in seiner Üppigkeit frech, im zweiten versagt er aus Schwäche.<br />

Wie wir ihn schwer tragen können, wenn er zu fett <strong>ist</strong>, so kann er uns<br />

nicht tragen, wenn er geschwächt <strong>ist</strong>. Die Maßlosigkeit im Fasten, Geißeln,<br />

im Tragen des Bußgürtels und anderen Kasteiungen macht bei vielen<br />

<strong>die</strong> besten Jahre unfruchtbar für den Dienst der <strong>Liebe</strong>, wie es beim hl.<br />

Bernhard geschah, der es bereute, sich zu viel kasteit zu haben. Weil sie<br />

ihren Leib früher mißhandelt haben, müssen sie ihm später schmeicheln.<br />

Hätten sie nicht besser daran getan, ihn stets gleichmäßig zu behandeln,<br />

entsprechend den Aufgaben und Arbeiten, zu denen ihr Stand sie verpflichtet?<br />

Fasten und Arbeit zügeln und beherrschen in gleicher Weise das Fleisch.<br />

Ist deine Arbeit notwendig oder der Ehre <strong>Gott</strong>es besonders <strong>die</strong>nlich, so<br />

erachte ich <strong>die</strong> Anstrengung der Arbeit für besser als <strong>die</strong> des Fastens. Das<br />

<strong>ist</strong> auch <strong>die</strong> Meinung der Kirche; sie enthebt sogar jene <strong>von</strong> der Verpflichtung<br />

der gebotenen Fasttage, deren Arbeiten dem Dienste <strong>Gott</strong>es<br />

und des Nächsten nützen. Dem einen fällt das Fasten schwer, dem anderen<br />

der Kranken<strong>die</strong>nst, der Besuch Gefangener, das Beichten oder Predigen,<br />

das Trösten der Heimgesuchten, das Beten oder andere Übungen.<br />

Die Überwindung in <strong>die</strong>sen Dingen <strong>ist</strong> besser als alle Kasteiungen. Sie<br />

bändigt in gleicher Weise das Fleisch, trägt aber zugleich viele wünschenswerte<br />

Früchte. Es <strong>ist</strong> gewiß besser, überschüssige Körperkräfte zu haben,<br />

als da<strong>von</strong> mehr als notwendig abzutöten. Schwächen kann man sie immer,<br />

wenn man will, nicht aber auf Wunsch sofort wiederherstellen.<br />

Meiner Meinung nach sollten wir große Ehrfurcht vor dem Wort Jesu<br />

an seine Jünger haben: „Eßt, was man euch vorsetzt!“ (Lk 10,8). Ich halte<br />

es für tugendhafter, ohne Wahl zu essen, was man dir vorsetzt, und in der<br />

Reihenfolge wie man es anbietet, ob es dir schmeckt oder nicht, als immer<br />

das Schlechtere zu wählen. Das zweite scheint zwar strenger zu sein,<br />

im ersten liegt dennoch mehr Entsagung, denn man entsagt nicht nur<br />

seinem Geschmack, sondern auch seiner Wahl. Es <strong>ist</strong> gewiß keine kleine<br />

Überwindung für unseren Geschmack, sich allem anzupassen und alles<br />

anzunehmen; außerdem macht <strong>die</strong>se Übung kein Aufsehen, stört nie-

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