24.11.2013 Aufrufe

Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe

Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe

Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

240<br />

IV,15<br />

15. Kapitel<br />

Ein treffliches Beispiel.<br />

Hier will ich eine Anekdote aus dem Leben des hl. Bernhard erzählen,<br />

wie ich sie bei einem gelehrten und weisen Schriftsteller gefunden habe.<br />

Sie wird das eben Gesagte noch verständlicher machen.<br />

Bei fast allen, <strong>die</strong> erst beginnen, <strong>Gott</strong> zu <strong>die</strong>nen, und noch keine Erfahrung<br />

im seelischen Auf und Ab haben und im Entzug der Gnaden durch<br />

<strong>Gott</strong>, trifft es zu, daß sie leicht außer Atem kommen, kleinmütig und<br />

traurig werden, sobald sie des Gefühls der Frömmigkeit ermangeln und<br />

das milde Licht schwindet, das sie einlädt, auf dem Weg des Herrn voranzuschreiten.<br />

Erfahrene Menschenkenner erklären das damit, daß <strong>die</strong><br />

menschliche Natur nicht lang hungrig und freudlos bleiben kann, ob<br />

<strong>die</strong>se Freude nun himmlischen oder irdischen Ursprungs <strong>ist</strong>. Seelen, <strong>die</strong><br />

durch das Verkosten der höheren Freuden über sich selbst hinausgehoben<br />

sind, verzichten leicht auf sichtbare Stützen. Wenn ihnen aber durch<br />

göttliche Fügung <strong>die</strong> ge<strong>ist</strong>liche Freude entzogen wird, sie andererseits<br />

aber der irdischen Freuden entbehren und nicht gewohnt sind, geduldig<br />

auf <strong>die</strong> Rückkehr der echten Freudensonne zu warten, dann glauben sie,<br />

weder im Himmel noch auf der Erde zu sein und in ewige Nacht gehüllt<br />

zu bleiben. Wie kleine Kinder, <strong>die</strong> man <strong>von</strong> der Mutterbrust entwöhnt,<br />

meinen sie zu verschmachten, jammern, werden verdrießlich und unerträglich,<br />

am me<strong>ist</strong>en gegen sich selbst.<br />

Folgendes begegnete also einem Schüler Bernhards, <strong>Gott</strong>fried <strong>von</strong> Peronne,<br />

der im Dienste <strong>Gott</strong>es Neuling war. Als er sich plötzlich in ge<strong>ist</strong>liche<br />

Dürre versetzt fand, beraubt des inneren Trostes, eingehüllt in Finsternis,<br />

erinnerte er sich seiner Freunde in der Welt, der Eltern, des Reichtums,<br />

den er verlassen hatte, und es überfiel ihn eine so heftige Versuchung,<br />

daß es in seinem ganzen Verhalten sichtbar wurde. Einer seiner<br />

Vertrauten bemerkte es, sprach ihn taktvoll und freundlich darauf an,<br />

fragte ihn vertraulich, was ihn so sehr verändert habe, so grüblerisch und<br />

traurig mache. Darauf antwortete <strong>Gott</strong>fried seufzend: „Ach, mein Bruder,<br />

ich werde nie mehr fröhlich sein!“ Entsetzt über <strong>die</strong>se Worte, eilte<br />

jener, es dem gemeinsamen Vater Bernhard zu berichten.<br />

Der Heilige sah, in welcher Gefahr <strong>Gott</strong>fried schwebte, ging in <strong>die</strong><br />

nächste Kirche und betete für ihn. Von Traurigkeit übermannt, legte<br />

<strong>Gott</strong>fried zur gleichen Zeit seinen Kopf auf einen Stein und schlief ein.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!