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Franz von Sales – Band 1 - Gott ist die Liebe

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III,29<br />

181<br />

Die Sonne stand einmal still für den Sieg Josuas (Jos 10,13), sie verfinsterte<br />

sich für den Sieg des Herrn am Kreuz (Lk 23,45); deswegen wird<br />

aber keiner behaupten, sie stehe still oder sei verfinstert. Noach berauschte<br />

sich einmal, ebenso Lot, der dabei sogar in Blutschande verfiel; trotzdem<br />

kann man <strong>die</strong> beiden nicht Trunkenbolde nennen und Lot nicht einen<br />

Blutschänder. Den hl. Petrus darf man nicht blutrünstig nennen, weil er<br />

einmal Blut vergossen, ebenso nicht einen Flucher, weil er einmal einen<br />

Fluch ausgestoßen hat. Um ein Laster oder eine Tugend mit Recht als<br />

Beinamen zu erhalten, muß man darin fortgeschritten sein und sie gewohnheitsmäßig<br />

üben. Es <strong>ist</strong> also eine Verleumdung, jemand einen Dieb<br />

oder Jähzornigen zu heißen, weil man ihn einmal unehrlich oder zornig<br />

gesehen hat.<br />

Sogar wenn jemand lange Zeit hindurch lasterhaft war, läuft man Gefahr<br />

zu lügen, wenn man ihn lasterhaft nennt. Simon der Aussätzige nannte<br />

Magdalena eine Sünderin (Lk 7,39), weil sie es früher war; er sagte aber<br />

trotzdem <strong>die</strong> Unwahrheit, denn sie war es nicht mehr, sondern eine heilige<br />

Büßerin. Der Herr nimmt sie deshalb auch in Schutz. Jener unvernünftige<br />

Pharisäer hielt den Zöllner für einen großen Sünder, für einen<br />

unehrlichen Menschen, für einen Ehebrecher und Dieb; wie sehr täuschte<br />

er sich aber, denn „<strong>die</strong>ser ging gerechtfertigt nach Hause“ (Lk 18,11f).<br />

Die Güte <strong>Gott</strong>es <strong>ist</strong> so groß, daß ein Augenblick genügt, um seine Gnade<br />

zu erflehen und zu erlangen; welche Sicherheit haben wir also, daß der<br />

Sünder <strong>von</strong> gestern es auch heute noch <strong>ist</strong>? Wir können das Gestern nicht<br />

nach dem Heute beurteilen und das Heute nicht nach dem Gestern; allein<br />

der letzte Tag entscheidet über alle. Wir können also niemals einen<br />

Menschen schlecht nennen, ohne Gefahr zu laufen, daß wir lügen. Wenn<br />

wir sprechen müssen, dann können wir das eine sagen, daß einer <strong>die</strong>se<br />

bestimmte schlechte Tat begangen, daß er eine gewisse Zeit lang ein<br />

schlechtes Leben geführt hat oder eben schlecht handelt; aber wir können<br />

nicht <strong>von</strong> gestern auf heute, nicht <strong>von</strong> heute auf gestern und noch<br />

weniger auf morgen Schlüsse ziehen.<br />

Wenn man auch außerordentlich vorsichtig sein muß, um nichts<br />

Schlechtes vom Nächsten zu sagen, so muß man sich ebenso vor der<br />

anderen Übertreibung hüten, das Laster zu loben, um <strong>die</strong> üble Nachrede<br />

zu vermeiden. Wenn jemand lieblose Reden führt, dann sag nicht zu<br />

seiner Entschuldigung, er spreche frei und offenherzig. Sag nicht <strong>von</strong><br />

einer offenkundig eitlen Person, sie sei großzügig und reinlich; gefährliche<br />

Freiheiten darfst du nicht Einfalt und Natürlichkeit nennen; beschö-

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