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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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angesichts <strong>de</strong>r starken Bedrohung durch Hannibals Heer, das Abhalten eines<br />

Weihefrühlings, eines Ver sacrum verordnet. Die Opfer wur<strong>de</strong>n Jupiter geweiht. Es<br />

war dies das letzte historisch bekannte Opferritual dieser Art.<br />

Wir können <strong>de</strong>mnach von einem doppelten erregen<strong>de</strong>n Erlebnisgrund <strong>de</strong>s Dramas<br />

sprechen: von Preyers starker geistiger Anteilnahme am ungarischen<br />

Freiheitskampf, an <strong>de</strong>ssen Aufbruch und Nie<strong>de</strong>rlage, und von seiner aktiven<br />

Teilnahme an <strong>de</strong>m Ringen um wirtschaftliche Entfaltung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s wie <strong>de</strong>r Stadt<br />

Temeswar im beson<strong>de</strong>ren. Abgesehen von <strong>de</strong>n spezifischen Gegebenheiten,<br />

waren dies zugleich Grun<strong>de</strong>rlebnisse breiter Schichten <strong>de</strong>s europäischen<br />

Bürgertums bis in die sechziger und siebziger Jahre <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts hinein,<br />

weshalb auch die literarische Spiegelung eines solch typischen und aktuellen<br />

Erfahrungsbereichs nicht zufällig ist. Das Drama bezieht Leben und<br />

Überzeugungskraft gera<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>s Dichters starker persönlicher Beteiligung an<br />

diesen Anliegen <strong>de</strong>r Zeit.<br />

Die Wahl <strong>de</strong>s Hannibal-Stoffes ist somit als glücklich zu bezeichnen, da sich daran<br />

eine <strong>de</strong>r brennendsten Zeitfragen in antiker Einkleidung gestalten ließ, ohne daß<br />

<strong>de</strong>r historischen Wahrheit Gewalt angetan wer<strong>de</strong>n mußte. Damit ist schon durch<br />

die Stoffwahl die Möglichkeit geboten, die „schwerste Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Geschichtsdramatikers zu meistern, nämlich die, <strong>de</strong>n objektiv gegebenen<br />

Eigenwert <strong>de</strong>s Stoffes und die eigene, innere Erlebniswelt miteinan<strong>de</strong>r zu<br />

versöhnen“ 68 , eine Synthese von Stoff/Gehalt und persönlicher I<strong>de</strong>e, d.h. die<br />

Möglichkeit, das „eigentliche reali<strong>de</strong>ale Geschichtsdrama“ 69 zu verwirklichen.<br />

Soweit es um <strong>de</strong>n Stoff geht, spricht noch etwas für eine Bearbeitung dieser<br />

historischen Vorlage: Der Stoff konnte damals überall vor ein gebil<strong>de</strong>tes Publikum<br />

gebracht wer<strong>de</strong>n, ohne zusätzlich erklären<strong>de</strong>r Vehikel zu bedürfen.<br />

Ein Vergleich mit <strong>de</strong>n antiken Quellen 70 , auf die Preyer vor allem <strong>zur</strong>ückzugreifen<br />

scheint, sowie mit <strong>de</strong>r wahrscheinlich ebenfalls berücksichtigten Römischen<br />

Geschichte Theodor Mommsens 71 geben darüber Aufschluß, wie sehr Preyer<br />

bemüht war, <strong>de</strong>m Wesen <strong>de</strong>r historischen Begebenheiten und Gestalten so nahe<br />

wie möglich zu kommen. Die Achtung vor Vergangenem, die sich in solchem<br />

Bemühen um historische Wahrheit ausdrückt, verweist auf das Erbe <strong>de</strong>r<br />

romantischen Ästhetik 72 , doch genügt Preyer damit auch <strong>de</strong>r früheren For<strong>de</strong>rung<br />

Goethes sowie <strong>de</strong>n späteren For<strong>de</strong>rungen Hettners, laut welchen <strong>de</strong>r Dichter „an<br />

<strong>de</strong>r inneren Wesenheit <strong>de</strong>s von außen entlehnten Stoffes nicht rüttle“. 73<br />

Im letzten Teil <strong>de</strong>r eigentlichen Untersuchung <strong>de</strong>s Preyerschen Trauerspiels wird<br />

<strong>de</strong>r Versuch unternommen, genauere Entsprechungen zwischen <strong>de</strong>m nahen und<br />

<strong>de</strong>m weit <strong>zur</strong>ückliegen<strong>de</strong>n historischen Geschehen herauszustellen (3.5.). Dazu<br />

sei allerdings bemerkt, daß solchen „Ent<strong>de</strong>ckungen“ als Hintergrundwissen wohl<br />

einige Be<strong>de</strong>utung zukommen kann, daß es <strong>de</strong>m Dichter jedoch ganz entschie<strong>de</strong>n<br />

68<br />

F. Sengle, a. a. O., S. 143.<br />

69<br />

Ebenda, S. 101.<br />

70<br />

Th. Mommsen und H. Ch. Eucken geben Hinweise auf die antiken Geschichtsschreiber:<br />

T. Livius, Ennius, Appianus, Zonon, Polybios.<br />

71<br />

1856 erschien bereits die zweite Auflage von Mommsens Römischer Geschichte.<br />

72<br />

A. W. Schlegels letzte Wiener Vorlesung, 1808; Solgers und Tiecks Ästhetik. Sengle, a. a.<br />

O., S. 103 ff.<br />

73<br />

Sengle, S. 227; vgl. die Ansichten Hebbels ( Kapitel 2.2.).<br />

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