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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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schaffen will o<strong>de</strong>r muß. Hier ist höchste Wachsamkeit angesagt. Es droht ferner<br />

die Überinterpretation, die Gefahr, sich <strong>de</strong>r Literatur zu bedienen, nicht um <strong>de</strong>r<br />

Erweiterung <strong>de</strong>r Analyse eines Textes zu dienen, son<strong>de</strong>rn um eine Theorie zu<br />

beweisen. So könnte man versucht sein, die Textstellen herauszusuchen, die in<br />

ein Konzept hineinpassen und so mit Gewalt die Gültigkeit einer<br />

Interpretationsmetho<strong>de</strong>, einer Theorie zu beweisen. Die dritte Gefahr besteht darin,<br />

Faktoren wie das Leben <strong>de</strong>s Autors, seinen Stil o<strong>de</strong>r die historischen<br />

Begebenheiten nicht zu berücksichtigen. Einseitigkeit ist immer <strong>de</strong>r Feind einer<br />

guten Analyse. Eine vollkommen objektive Untersuchung wird jedoch im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Psychologie kaum möglich sein, da <strong>de</strong>r Mensch sich niemals <strong>de</strong>m Einfluß<br />

seiner inneren Welt entziehen kann. Eine literatur-psychologische Betrachtung wird<br />

immer nur EIN Erläuterungsmo<strong>de</strong>ll bleiben, sie wird immer nur EINEN Aspekt<br />

beleuchten. Aber wird bei an<strong>de</strong>ren Mo<strong>de</strong>llen etwa an<strong>de</strong>rs verfahren?<br />

Neben <strong>de</strong>r Partialität, die im allgemeinen die einseitige Analyse eines Werkes mit<br />

sich bringt, ergibt sich die Partialität im Bereich <strong>de</strong>r Psychologie aus <strong>de</strong>m<br />

Vorhan<strong>de</strong>nsein verschie<strong>de</strong>ner Schulen. Ich möchte hier nur die bei<strong>de</strong>n<br />

Hauptrichtungen anführen: die freudianische und die jungianische. In seinem<br />

Essay Der Dichter und das Phantasieren (1907) vergleicht Freud <strong>de</strong>n Dichter mit<br />

einem spielen<strong>de</strong>n Kind, das <strong>de</strong>r Realität entflieht, um in einer ernstgenommenen<br />

Phantasiewelt seine Wünsche und Affekte ausleben zu können. Dank <strong>de</strong>r Kunst<br />

sublimiert <strong>de</strong>r Autor die in <strong>de</strong>r Realität unbefriedigt gebliebenen Wünsche<br />

(ehrgeiziger Natur, wenn sie <strong>de</strong>r Erhöhung <strong>de</strong>r Persönlichkeit dienen o<strong>de</strong>r<br />

erotischer Natur, wenn sie vom natürlichen sexuellen Trieb ausgehen); er schafft<br />

sich eine Welt, wo solche Wünsche erfüllbar wer<strong>de</strong>n. Daß es sich um ein Spiel<br />

han<strong>de</strong>lt, will Freud aus <strong>de</strong>n Bezeichnungen: Lustspiel, Trauerspiel, Schauspieler<br />

bestätigt sehen. 8 Die Kunst ist somit für Freud eine Ersatzbefriedigung, Werke sind<br />

"Korrekturen <strong>de</strong>r unbefriedigten Wirklichkeit". Kunst ist ein therapeutisches<br />

Erleichterungsmittel, das <strong>de</strong>r Religion überlegen ist, weil die psychischen Zwänge<br />

wegfallen dürfen. Für Freud sind Kunstwerke durch Kastrationsangst, einen<br />

Ödipus- o<strong>de</strong>r Elektrakomplex zu erklären. Gott ist immer eine Vaterprojektion, je<strong>de</strong><br />

Höhle und je<strong>de</strong>r Brunnen ist ein Sinnbild für die Mutterbindung. Es gibt nur<br />

phallische und vaginale Motive, die sich nach Freuds Meinung über <strong>de</strong>n Umweg<br />

<strong>de</strong>s Kunstwerkes gegen die Zensur <strong>de</strong>s Über-Ich durchsetzen können. Das<br />

Künstlerische wird auf Krankes o<strong>de</strong>r Neurotisches <strong>zur</strong>ückgeführt 9 . Viele Stimmen<br />

erheben sich gegen eine solche Interpretation. Wo bleibt die Form, die Sprache?<br />

Für Freud dient <strong>de</strong>r formale Aspekt lediglich dazu, <strong>de</strong>n Leser durch einen<br />

"ästhetischen Lustgewinn" zu bestechen.<br />

Man nennt einen solchen Lustgewinn, <strong>de</strong>r uns geboten wird, um mit ihm die<br />

Entbindung größerer Lust aus tiefer reichen<strong>de</strong>n psychischen Quellen zu<br />

ermöglichen, eine Verlockungsprämie o<strong>de</strong>r eine Vorlust. 10<br />

Wo bleiben aber die politischen, sozialen, ökonomischen, historischen,<br />

8 Sigmund Freud, Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kunst und Literatur – Der Dichter und das Phantasieren,<br />

Studienausgabe Bd. X, Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 1969, S. 172.<br />

9 Siehe z.B. Sigmund Freud, Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kunst und Literatur – Eine Kindheitserinnerung<br />

von Leonardo da Vinci, Studienausgabe Bd. X, Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 1969.<br />

10 Ebd. S. 179.<br />

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