09.12.2012 Aufrufe

temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

von Heiligkeit" (UF, 89) wünscht. Das Ausschließen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r vom<br />

"Wahnsinnstreiben" nach <strong>de</strong>m Glück, bezeugt einerseits, daß sie von <strong>de</strong>r<br />

herabgekommenen Welt <strong>de</strong>r Erwachsenen gerettet wer<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>rerseits, daß<br />

sie selbst eine potentielle Rettung vor <strong>de</strong>m Bösen darstellen. Die Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n<br />

vom Wahrwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s "geizigen" Glücks fern gehalten, ein bewußtes Manöver <strong>de</strong>r<br />

Erwachsenen, die als Folge dieses Verhaltens in ein noch negativeres Licht<br />

rücken, da ihr korruptes Sein in Kontrast <strong>zur</strong> Unschuld ihrer Kin<strong>de</strong>r gesteigert wird.<br />

Diesbezüglich erscheint die Szene <strong>de</strong>r Prozession <strong>de</strong>s sakralisierten Wenzel,<br />

Retter und Hoffnung <strong>de</strong>r Dorfgemeinschaft, in grotesk-ironischen Zügen<br />

beschrieben (UF, 91-92).<br />

Worin besteht das "Wahnsinnstreiben", das <strong>de</strong>n Rezipienten und <strong>de</strong>n Erzähler<br />

erschüttert? Im Dorf wur<strong>de</strong>n Termine festgelegt, Listen angelegt,<br />

Anmel<strong>de</strong>formulare ausgestellt, Prioritäten gesetzt, um die Organisierung <strong>de</strong>s<br />

Glücks zu bewirken. Demokratie soll als Funktionsprinzip im Dorfleben Ordnung<br />

schaffen, Toleranzgedanken hervorrufen, <strong>de</strong>n Weltfrie<strong>de</strong>n sichern etc. Die<br />

Organisierung <strong>de</strong>s spektakulären Glücks führt die Dorfbewohner zu <strong>de</strong>n<br />

extremsten Reaktionsformen: Sortieren <strong>de</strong>r Wünsche nach Kriterien wie privates<br />

bzw. öffentliches Interesse, Verlust <strong>de</strong>r Nächstenliebe, <strong>de</strong>s Verständnisses, <strong>de</strong>s<br />

Mitleids – in einem Wort, <strong>de</strong>r Menschlichkeit (Vgl. UF, 71-72). Der<br />

Verwandlungsprozeß in Un-Menschen mittels <strong>de</strong>r Glücksmaschine, die sich als ein<br />

diabolisches Ding entpuppt, erinnert an Dürrenmatts Besuch <strong>de</strong>r alten Dame.<br />

Unheimlich und originell die I<strong>de</strong>e, daß nur ein einziger Wunsch, und nicht drei, wie<br />

in <strong>de</strong>n tradierten Märchenmustern, verwirklicht wer<strong>de</strong>n kann. Die Reduktion auf<br />

einen Wunsch, Tatsache, die <strong>de</strong>n Wünschen<strong>de</strong>n unbekannt ist, verhin<strong>de</strong>rt eine<br />

zeitlang, daß sich die Wunschaktion in eine Kette von Un-Wünschen verwan<strong>de</strong>lt.<br />

Das Unternehmen <strong>de</strong>s Wünschens und die Verwirklichung <strong>de</strong>r verborgensten<br />

Wunschträume kann sehr gefährlich sein, insbeson<strong>de</strong>re wenn das Positive sich in<br />

Negatives verwan<strong>de</strong>lt. Es ergibt sich ein Vergleich mit Tarkowskis The Stalker, mit<br />

<strong>de</strong>m Wunsch-Raum aus <strong>de</strong>r verbotenen "Zone", <strong>de</strong>r vom Wissenschaftler<br />

gesprengt wird, um das negative Denken und die damit verbun<strong>de</strong>nen Katastrophen<br />

zu verhin<strong>de</strong>rn. Dieser Vergleich leitet <strong>de</strong>n Übergang zum Auftritt <strong>de</strong>s<br />

"Weltverbesserers" ein, ein Protagonist, <strong>de</strong>r im Gegensatz zu seinem Beinamen<br />

auf <strong>de</strong>n "Weltfrie<strong>de</strong>n" pfeift (Vgl. UF, 88) und <strong>de</strong>n Brandstiftern von Max Frisch<br />

nacheifert.<br />

In Köhlmeiers Erzähl-Märchen wer<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r verworrenen Situation, die die<br />

Dorfwelt auf <strong>de</strong>n Kopf gestellt hat, nur noch Egoismus und Irrationalität dominieren.<br />

Der Satz:<br />

Man macht Irrsinnn mit Irrsinn nicht wie<strong>de</strong>r gut (UF, 85),<br />

klingt wie ein Ultimatum und erschüttert <strong>de</strong>n Rezipienten, <strong>de</strong>r die hoffnungslose<br />

Situation wahrnimmt und sie eventuell mit <strong>de</strong>m zeitgenössischen Dasein<br />

vergleicht. Das bewußte Aufnehmen <strong>de</strong>r Botschaft und auch die lockere<br />

Endlösung, die im märchenhaften Happy-End mün<strong>de</strong>t, ist ein Beweis, daß es<br />

<strong>de</strong>nnoch Hoffnung gibt, die Vernunft walten zu lassen, und daß die Menschheit<br />

sich nicht <strong>de</strong>m Unwesen bzw. <strong>de</strong>m Bösen fügt.<br />

Überraschend ist das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geschichte auch wegen <strong>de</strong>r Flucht aus <strong>de</strong>r<br />

Realität – <strong>de</strong>r Unfisch wird aus <strong>de</strong>m leblosen Schaustück zum lebendigen Wal, <strong>de</strong>r<br />

76

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!