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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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Ich kam aber auch aus einem an<strong>de</strong>ren Grund in dieses Kaffeehaus. In einer<br />

entlegenen, für die Lektüre vorgesehene Ecke, ent<strong>de</strong>ckte ich einen Haufen<br />

Kunstzeitschriften, unter ihnen auch manche avantgardistische Publikationen.”) (in<br />

<strong>de</strong>r Übersetzung von R.N.)<br />

Es gibt keinen ein<strong>de</strong>utigeren Beweis für die Rezeption Rilkes, als die Tatsache,<br />

daß rumänische Dichter und Denker in ihm das große Vorbild, und noch mehr,<br />

eine Verkörperung <strong>de</strong>r Dichtung schlechthin gesehen haben. Die Gedichte von Ion<br />

Pillat, Vasile Voiculescu, Alexandru Phillippi<strong>de</strong>, Dan und Emil Botta, Ştefan<br />

Augustin Doinaş, Ion Alexandru, Ion Caraion und Nichita Stănescu wurzeln in<br />

<strong>de</strong>rselben Welt wie jene Rilkes. Hier ist es natürlich nicht angebracht, auf<br />

poetische Wechselbeziehungen einzugehen. Es ist aber bezeichnend, daß Rilkes<br />

beste Kenner im rumänischen Kulturraum eben die Dichter waren.<br />

Von ganz beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung sind die Erinnerungen <strong>de</strong>s Temeswarer Dichters<br />

und Übersetzers Franyó Zoltan (1887-1978) 14 , <strong>de</strong>r die wenigen Wochen festhält,<br />

die er im Jahre 1915 zusammen mit Rilke und an<strong>de</strong>ren zum Kriegsdienst<br />

eingezogenen österreichischen Schriftstellern, Alfred Polgar, Stefan Zweig, Franz<br />

Theodor Csokor, verbracht hat.<br />

Der Schriftsteller Liviu Rebreanu (1885-1944), ein Meister <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen<br />

rumänischen Romans, verfaßt im Jahre 1922 das Buch Pădurea spân<strong>zur</strong>aŃilor (Der<br />

Wald <strong>de</strong>r Gehängten). Angeregt wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Autor durch <strong>de</strong>n Tod seines eigenen<br />

Bru<strong>de</strong>rs, Emil Rebreanu, <strong>de</strong>r im Jahre 1917 als Deserteur von <strong>de</strong>n k.u.k.<br />

Militärbehör<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r rumänischen Front hingerichtet wur<strong>de</strong>.<br />

Zwei Galgen erwarten Apostol Bologa, die Hauptfigur, Oberleutnant <strong>de</strong>r<br />

österreichisch-ungarischen Armee. Zu <strong>de</strong>m einen geht er als Richten<strong>de</strong>r, zum<br />

an<strong>de</strong>ren als Verurteilter. Im Herbst 1916 stimmt Bologa als Mitglied eines<br />

Kriegsgerichts für <strong>de</strong>n Tod eines Kamera<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>s tschechischen Leutnants<br />

Swoboda. Ein Jahr später wird er selbst als Überläufer gestellt. Dazwischen liegen<br />

Monate seelischer Unruhen, fällt eine Entscheidung, die ihn zwingt, alles zu<br />

opfern, die Familie, die Karriere, selbst seine Liebe zu Ilona:<br />

Niemand fällt leichten Herzens ein Urteil, sagte Apostol nach<strong>de</strong>nklich. Wenn die<br />

Schuld jedoch so offen zutage liegt, ist man dazu gezwungen. Denn über <strong>de</strong>m<br />

Menschen und seinen persönlichen Interessen steht <strong>de</strong>r Staat! 15<br />

Das, was sich im Innern <strong>de</strong>r Hauptfigur abspielt, wurzelt in <strong>de</strong>r komplizierten sozialpolitischen<br />

Struktur <strong>de</strong>s Vielvölkerstaates, <strong>de</strong>r zahlreiche ethnische Gruppen in <strong>de</strong>n<br />

Krieg getrieben hat, wobei die tschechischen, rumänischen, ruthenischen o<strong>de</strong>r<br />

ungarischen Soldaten gegen ihre eigenen Brü<strong>de</strong>r gekämpft haben:<br />

Der Krieg an sich ist schon ein ungeheures Verbrechen, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Krieg, <strong>de</strong>n<br />

Österreich führt. Wenn ein Volk gleichen Blutes die Waffen ergreift, ob nun zu<br />

Recht o<strong>de</strong>r zu Unrecht, so wissen doch alle, daß <strong>de</strong>r Sieg <strong>de</strong>m Volke zugute<br />

kommen wird. Je<strong>de</strong>r Soldat kann daher in <strong>de</strong>m guten Glauben sterben, sich für das<br />

Wohl <strong>de</strong>s ganzen Volkes geopfert zu haben. Wir jedoch wer<strong>de</strong>n von verhaßten<br />

Herren wie Sklaven in <strong>de</strong>n Tod gejagt, damit sie unsere Ketten noch fester<br />

schmie<strong>de</strong>n können! Was wiegt <strong>de</strong>nn inmitten eines solchen Wusts von Verbrechen<br />

dieses eine, winzig kleine, das dir die Seele abdrückt? Wer kümmert sich <strong>de</strong>nn hier<br />

14<br />

Zoltán, Franyó (1967): “Mit Rainer Maria Rilke vor 50 Jahren”. In: Rumänische Revue,<br />

1/1967, 5.<br />

15<br />

Rebreanu, Liviu (1966): Der Wald <strong>de</strong>r Gehängten, Berlin: Aufbau, 61.<br />

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