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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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umweltbedingten Betrachtungen, wird man sich zu Recht fragen. Für Freud ist <strong>de</strong>r<br />

Künstler seinem sozialen Umfeld fremd. In Das Unbehagen in <strong>de</strong>r Kultur (1930)<br />

spricht Freud von <strong>de</strong>r Kunst als von einer Illusion, die <strong>de</strong>m Leser und <strong>de</strong>m Dichter<br />

die Möglichkeit gibt, von <strong>de</strong>n Zustän<strong>de</strong>n, die ihn umgeben, Abstand zu gewinnen.<br />

Das obere Ziel heißt: Lustgewinn und Glück statt Frust und Leid. Kunst gleicht für<br />

Freud einem Opiat, das für Augenblicke die frustrieren<strong>de</strong> Realität vergessen läßt.<br />

Bei Jung ist nicht das Sexuelle entschei<strong>de</strong>nd. Er bestreitet jedoch keineswegs <strong>de</strong>n<br />

Wert einer freudianischen Analyse:<br />

Die Arbeiten von Freud ermöglichen ... eine unter Umstän<strong>de</strong>n tiefergreifen<strong>de</strong> und<br />

mehr erschöpfen<strong>de</strong> Aufzeigung <strong>de</strong>r Einflüsse <strong>de</strong>r bis in die früheste Kindheit<br />

<strong>zur</strong>ückreichen<strong>de</strong>n Erlebnisse auf das künstlerische Schaffen 11 .<br />

Er bezeichnet aber Freuds Metho<strong>de</strong> als "reduktiv", als "medizinische<br />

Behandlungsmetho<strong>de</strong>, welche eine krankhafte und uneigentliche Bindung zum<br />

Objekt hat." 12 Für Jung ist ein Kunstwerk unpersönlich. Der Künstler meint, er wäre<br />

ein Schöpfer, doch <strong>de</strong>r Urgrund seiner Dichtung ist das "kollektive Unbewußte",<br />

<strong>de</strong>ssen Archetypen (Urbil<strong>de</strong>r) angeregt und zum Ausdruck gebracht wer<strong>de</strong>n. Das<br />

kollektive Unbewußte besteht nicht aus fertigen Bil<strong>de</strong>rn; es besteht aus<br />

mnemischen Bil<strong>de</strong>rn, die uns seit Urzeiten vererbt wer<strong>de</strong>n. Diese Bil<strong>de</strong>r,<br />

Vorstellungen sind nicht angeboren, sie sind nur "angeborene Möglichkeiten von<br />

Vorstellungen", die einer Belebung bedürfen, um entwickelt, gestaltet und in die<br />

Sprache <strong>de</strong>r Gegenwart übersetzt zu wer<strong>de</strong>n. Für Jung gibt es zwei Arten <strong>de</strong>s<br />

Schaffens: bei <strong>de</strong>r ersten, die er als psychologisch bezeichnet, bewegt sich <strong>de</strong>r<br />

Inhalt innerhalb <strong>de</strong>r Reichweite <strong>de</strong>s menschlichen Bewußtseins; Erfahrungen,<br />

Gefühle sind die Auslöser. Bei <strong>de</strong>r zweiten, die ihn mehr interessiert, han<strong>de</strong>lt es<br />

sich um eine visionäre Art <strong>de</strong>s Schaffens. Hier ist das Erlebnis nichts Bekanntes<br />

und kommt aus <strong>de</strong>m kollektiven Unbewußten.<br />

Auch bei Jung stellen wir Partialität fest. Das Leben <strong>de</strong>s Autors mit seinen<br />

Konflikten bleibt weitgehend unberücksichtigt, ebenso wie <strong>de</strong>r soziale Aspekt, ganz<br />

zu schweigen von <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Textes. Alles wird auf mythische Ursituationen<br />

<strong>zur</strong>ückgeführt. Das Ziel <strong>de</strong>s Menschen ist für Jung die Individuation, ein<br />

Reifungsprozeß, <strong>de</strong>r in mehreren Etappen zum Selbst führt. Die Individuation ist<br />

ein Zentrierungsprozeß, <strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Verwirklichung <strong>de</strong>s Selbst führt. Das Selbst ist die<br />

Ganzheit <strong>de</strong>r Psyche, die Vereinigung von Bewußtem und Unbewußtem. Das Ziel<br />

<strong>de</strong>r Individuation ist, das Selbst von <strong>de</strong>n falschen Hüllen <strong>de</strong>r Persona, (von <strong>de</strong>r<br />

Maske, die wir aufsetzen, um einer Rolle innerhalb <strong>de</strong>r Gesellschaft gerecht zu<br />

wer<strong>de</strong>n) zu befreien, <strong>de</strong>n Schatten (die verdrängten, uns une<strong>de</strong>l vorkommen<strong>de</strong>n<br />

Eigenschaften) und <strong>de</strong>n Animus bzw. die Anima (<strong>de</strong>n weiblichen Teil <strong>de</strong>r Psyche<br />

beim Mann und umgekehrt) zu integrieren. Es gilt schließlich, seine Zugehörigkeit<br />

<strong>zur</strong> Natur, zum Ganzen zu erkennen und durch ein erfolgreiches "Kenne Dich<br />

selbst", durch Akzeptieren seines wahren Wesens <strong>zur</strong> Entfaltung und Behauptung<br />

seiner individuellen Persönlichkeit zu kommen.<br />

Wenn man bei<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n zusammenfaßt, dann fallen zunächst<br />

Gemeinsamkeiten auf. Freud billigt <strong>de</strong>r Kunst keine Selbständigkeit zu. Sie ist<br />

11 C.G. Jung, Über das Phänomen <strong>de</strong>s Geistes in Kunst und Wissenschaft, GW, Bd. 15,<br />

Walter-Verlag Olten, 1990, S. 78.<br />

12 Ebd S. 78.<br />

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