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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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daß <strong>de</strong>r Protagonist die Schultasche „in die Ecke“ geschleu<strong>de</strong>rt habe, daß er sich<br />

bewußt vom Studium abgewandt habe.<br />

In <strong>de</strong>r Raumphilosophie Bachelards, die sich auf Beobachtungen Jungs stützt,<br />

steht <strong>de</strong>r Keller symbolisch als ein Ort <strong>de</strong>r Kontaktaufnahme mit <strong>de</strong>m Irrationalen<br />

im Gegensatz zum Rationalen <strong>de</strong>r Schule und <strong>de</strong>s Dachbo<strong>de</strong>ns: „Fast<br />

kommentarlos läßt sich die Rationalität <strong>de</strong>s Daches <strong>de</strong>r Irrationalität <strong>de</strong>s Kellers<br />

entgegensetzen. Der Keller ist das dunkle Wesen <strong>de</strong>s Hauses, das Wesen, das an<br />

<strong>de</strong>n unterirdischen Mächten teilhat.“ (Bachelard: 1960, 50) Der Abstieg in <strong>de</strong>n<br />

Keller <strong>de</strong>r Elendssiedlung entspricht einer Konfrontation mit <strong>de</strong>r von Familie,<br />

Schule, Kunst über<strong>de</strong>ckten drohen<strong>de</strong>n Schattenseite <strong>de</strong>r Gesellschaft. Erst durch<br />

die direkte Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Krankheit, Laster und Elend, <strong>de</strong>m Wahnsinn<br />

unter <strong>de</strong>r Decke <strong>de</strong>r Normalität ist für <strong>de</strong>n Protagonisten ein Neubeginn möglich. In<br />

diesem Sinne ist <strong>de</strong>r Aufenthalt <strong>de</strong>s Lehrlings in <strong>de</strong>r Scherzhauserfeldsiedlung ein<br />

notwendiges Durchgangsstadium zum Erwachsensein, <strong>zur</strong> Initiation, die die<br />

Selbstmordi<strong>de</strong>en <strong>de</strong>s Jugendlichen been<strong>de</strong>n.<br />

Ein an<strong>de</strong>rer Raum, <strong>de</strong>r für die Entwicklung <strong>de</strong>s Protagonisten von Wichtigkeit ist,<br />

ist <strong>de</strong>r Familienraum, das Daheim, das sich als eine Fortsetzung <strong>de</strong>s<br />

Schreckensaufenthalts in <strong>de</strong>r Scherzhauserfeldsiedlung erweisen wird. Es gibt<br />

zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Räumen keine Kontraste, bei<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n vom Autor<br />

bewußt auf <strong>de</strong>rselben Skala situiert. Der Blickpunkt pen<strong>de</strong>lt dabei zwischen <strong>de</strong>m<br />

Keller und <strong>de</strong>n damit im Zusammenhang treten<strong>de</strong>n Reflexionen und <strong>de</strong>m<br />

Familienraum, <strong>de</strong>r von Armut, Hunger, <strong>de</strong>m Beieinan<strong>de</strong>rhausen auf knappstem<br />

Raume gekennzeichnet ist. Die Position <strong>de</strong>s unehelichen Kin<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r Familie,<br />

das vom Stiefvater nie adoptiert wur<strong>de</strong>, ist durch die Lage seines Bettes ein<strong>de</strong>utig<br />

charakterisiert: „im Vorzimmer, gleich neben <strong>de</strong>r Eingangstür.“ (Bernhard: 1998,<br />

61) Als scheinbare Rettung aus <strong>de</strong>r Bedürftigkeit dieses Zustands erweist sich die<br />

Scherzhauserfeldsiedlung, <strong>de</strong>r Arbeitsplatz:<br />

Mein Zuhause war meine Hölle gewesen, und an je<strong>de</strong>m Tag war ich durch meinen<br />

Weg in die Scherzhauserfeldsiedlung, die ich jetzt wie<strong>de</strong>r als Vorhölle bezeichne,<br />

gerettet gewesen. (Bernhard: 1998, 61)<br />

Das Haus ist für das Ich kein trostspen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Raum im Sinne Bachelards, es<br />

verbin<strong>de</strong>t damit kein Gefühl <strong>de</strong>r Geborgenheit. Bachelard <strong>de</strong>finierte <strong>de</strong>n Wohnort<br />

als Ort <strong>de</strong>r Ruhe:<br />

„Denn das Haus ist unser Winkel <strong>de</strong>r Welt, unser erstes All. Erinnerungen an<br />

Geborgenheit kommen mit <strong>de</strong>m Traum <strong>de</strong>s Hauses“ (Bachelard: 1960,39), wobei<br />

diese Dominante bei Bernhard abhan<strong>de</strong>n kommt.<br />

Aufmerksamkeit schenkt <strong>de</strong>r Lehrling <strong>de</strong>r Behausung <strong>de</strong>s Großvaters, jenem<br />

kleinen, karg eingerichteten Zimmer, das für <strong>de</strong>n Großvater als Arbeitsstätte<br />

fungierte. Hier hat er sich eingeschlossen, um in <strong>de</strong>r völligen Isolation sein<br />

Lebenswerk zu been<strong>de</strong>n. Leben und Tod stehen in diesem Raum nebeneinan<strong>de</strong>r:<br />

zum einen das Leben personifiziert durch <strong>de</strong>n Großvater, <strong>de</strong>r an ein Überleben<br />

durch die Schrift, durch das geschriebene Wort sinnt und zum an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>r Tod,<br />

<strong>de</strong>r durch die gela<strong>de</strong>ne Pistole auf <strong>de</strong>m Arbeitstisch symbolisiert wird. Deutlich ist<br />

auch dieser Ort, wie alle Bernhardschen Schauplätze, ambivalent aufzufassen. Für<br />

<strong>de</strong>n Protagonisten, <strong>de</strong>r sich zeitlebens zum Großvater hingezogen gefühlt hatte,<br />

zumal ihm dieser die fehlen<strong>de</strong> Vaterinstanz ersetzt hatte, ist die Kammer kein<br />

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