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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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dramaturgischen Analogieprinzip fußend) mit <strong>de</strong>m symbolisch gefaßten<br />

I<strong>de</strong>endrama. Preyers Gestaltungswillen auferlegt ihm sowohl Distanzierung zum<br />

gegebenen Stoff als auch Abstand vom subjektiven Erlebnishintergrund. Dadurch<br />

sind Vorbedingungen geschaffen, das Einmalige <strong>de</strong>s historischen Stoffes zu<br />

allgemeinerer Be<strong>de</strong>utung zu erheben, allerdings so, daß die „innere historische<br />

Wahrheit“ 108 gewahrt bleibt. In <strong>de</strong>r künstlerischen Gestaltung <strong>de</strong>s Stoffes war ihm<br />

diese For<strong>de</strong>rung weniger wichtig in puncto Chronologie und Gesamtkomposition<br />

als hinsichtlich <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>r Charaktere und <strong>de</strong>r politischen und<br />

künstlerischen Absicht.<br />

So erscheint <strong>de</strong>nn auch im Hannibal die Freiheitsi<strong>de</strong>e als erlösen<strong>de</strong>s Prinzip. Auch<br />

wenn Hannibals Laufbahn in Nie<strong>de</strong>rlagen en<strong>de</strong>t, so hat doch er selbst sich das<br />

Leben genommen, um <strong>de</strong>r sicheren Unfreiheit und Demütigung zu entrinnen; er tat<br />

es, nicht ohne sich an <strong>de</strong>r Überzeugung auf<strong>zur</strong>ichten, daß die von einem Weltgeist<br />

(im Hannibal treten an seine Stelle – gemäß <strong>de</strong>m antiken Stoff – das Schicksal und<br />

die Götter) gelenkte soziale wie historische Entwicklung mit Notwendigkeit nach<br />

Freiheit tendiere. Die moralische Freiheit <strong>de</strong>s Hel<strong>de</strong>n ist erhalten geblieben, eine<br />

tragische Erhebung ist möglich. Das Überindividuelle, <strong>de</strong>r Glaube an <strong>de</strong>n Sieg <strong>de</strong>r<br />

Freiheitskämpfe, wird somit <strong>de</strong>utlich über das Individuelle und Vergängliche<br />

erhoben.<br />

In seiner Fortschritts- und Zukunftsgläubigkeit hat Preyer einen I<strong>de</strong>alzustand vor<br />

Augen: das Bild einer freien Völkergemeinschaft, vom friedlichen Nebeneinan<strong>de</strong>r<br />

und Miteinan<strong>de</strong>r gleichberechtigter Völker. Dieser Vision begegnen wir im Hannibal<br />

[Verhandlung mit Scipio, III., 6., S. 66] und in an<strong>de</strong>ren seiner literarischen Arbeiten,<br />

wie in <strong>de</strong>m zehn Jahre später in <strong>de</strong>r Temesvarer Zeitung 1869 veröffentlichten<br />

Versepos Salamon.<br />

Ein Völkerbund, von Eintracht schön geschlossen,<br />

Umfange sie im dauern<strong>de</strong>n Verein,<br />

Ein heil’ger, ew’ger Frie<strong>de</strong> kehre ein<br />

Und mache Völker zu Genossen! (Strophe 5)<br />

Preyer war Europäer von weltweiter Offenheit. Als Dichter und Schriftsteller<br />

glaubte er an die Kraft <strong>de</strong>s poetischen Wortes und <strong>de</strong>s sachlichen Argumentes,<br />

überhaupt an das Recht einer Mitsprache, ja <strong>de</strong>r Einmischung; Schreiben und<br />

Dichten als Auftrag aufgefaßt. Dafür gibt es viele Anhaltspunkte.<br />

Um so berechtigter daher die Frage, weshalb er so lange mit <strong>de</strong>r Drucklegung <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n letzten Dramen gezögert hat. Man wird sie mit einem Vorwurf verbin<strong>de</strong>n.<br />

Schließlich han<strong>de</strong>lt es sich um eine Verspätung von über zwanzig Jahren, eine<br />

Zeitspanne, in <strong>de</strong>r sich in Ungarn politisch wie sozial gewaltige Än<strong>de</strong>rungen<br />

vollzogen hatten. So hatten vor allem die im Hannibal gespiegelten Zeitprobleme<br />

(mit Blick auf seine engere Heimat Ungarn) ihre Brisanz verloren, ja eine<br />

verwirren<strong>de</strong> und schmerzliche Umkehrung erfahren: Seit <strong>de</strong>m Ausgleich zwischen<br />

Österreich und Ungarn (1867) war das Volk <strong>de</strong>r Madjaren (1848/49<br />

Sympathieträger, als Freiheitskämpfer geachtet und unterstützt in <strong>de</strong>r westlichen<br />

Welt) nun selbst zu einem <strong>de</strong>r unerbittlichsten nationalen Unterdrücker <strong>de</strong>r<br />

108 F.Sengle, a. a. O., S. 38.<br />

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