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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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durch die Straßen. Auf schmalen rauschen<strong>de</strong>n Brücken flattern die Röcke frem<strong>de</strong>r<br />

Frauen. Kin<strong>de</strong>r mit nackten mageren Schenkeln stehen ohne Hosen allein unter<br />

vielen großen Bäumen. Sie halten Äpfel in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n. Sie essen nicht. Sie<br />

winken. Sie rufen mit leerem Mund. Käthe winkt kurz und schaute nicht mehr hin.<br />

Ich winke lange. Ich schaue lange auf die mageren Schenkeln, bis ich, weil sie<br />

zerfließen, nur noch die großen Bäume seh. (Faule Birnen, N: 95-96)<br />

Das Gefühl <strong>de</strong>s Eindringens in eine nicht familiäre Welt wird von <strong>de</strong>m Beiwort<br />

fremd verstärkt. (Im Unterschied zu <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn, mit <strong>de</strong>nen sie im Einklang stehen,<br />

erscheinen <strong>de</strong>r Erzählerin sowohl die Männer, als auch die Frauen fremd.)<br />

Diese unbekannte Welt schlägt <strong>de</strong>r Erzählerin Elemente vor, die sie mit <strong>de</strong>m ihr<br />

Vertrauten gleichstellt: Die Felsen erscheinen ihr als Steine, die Serpentinen als<br />

schmale, graue Wege, <strong>de</strong>r Bach als rauschen<strong>de</strong>s Wasser usw. Die ältere Käthe,<br />

die wahrscheinlich diesen Weg schon mehrmals <strong>zur</strong>ückgelegt hat, äußert sich in<br />

diesem Zusammenhang:<br />

Die Er<strong>de</strong> klettert aus <strong>de</strong>m Gras über kahle Steine, über Wurzeln und Rin<strong>de</strong>n. Käthe<br />

sagt: das sind Berge, und die Steine sind Felsen. (Faule Birnen, N: 96);<br />

Das Auto fährt auf schmalen grauen Wegen. Sie heißen Serpentinen, sagt Käthe.<br />

(Faule Birnen, N: 96)<br />

Durch die Zimmerwand rauscht das Wasser. Käthe sagt: Es ist <strong>de</strong>r Bach. (Faule<br />

Birnen, N: 97)<br />

Die Personen nehmen mit Schärfe die Unterschie<strong>de</strong> zwischen Fremdheit und<br />

Zuhause wahr. Diese Verschie<strong>de</strong>nheiten können räumlicher:<br />

Die Sonne fällt hinter <strong>de</strong>n höchsten Berg. Der Berg wackelt und schluckt das Licht.<br />

Zuhause geht die Sonne hinter <strong>de</strong>m Friedhof unter, sage ich. (Faule Birnen, N: 96),<br />

o<strong>de</strong>r zeitlicher Natur sein:<br />

Käthe ißt eine große Tomate und sagt: im Gebirge wird es früher Nacht als bei uns<br />

zu Haus. Käthe legt ihre schmale weiße Hand auf mein Knie. Das Auto summt<br />

zwischen Käthes Hand und meiner Haut. Im Gebirge wird es auch früher Winter als<br />

bei uns zuhaus, sage ich. (Faule Birnen, N: 96-97)<br />

Die Reise in eine frem<strong>de</strong> Welt ist nicht zufällig. Sie stellt <strong>de</strong>n epischen Rahmen<br />

dar, in <strong>de</strong>m die Erzählerin ihr Verhältnis zum Vater klärt. Der Ehebruch, bei <strong>de</strong>m<br />

sie zufällig Zeugin ist, wird von mehreren Szenen in suggestiver Weise<br />

vorausge<strong>de</strong>utet. Es han<strong>de</strong>lt sich um metonymische, sukzessive Wahrnehmungen<br />

<strong>de</strong>s Vaters. Die Erzählerin sieht ihn immer nur unvollkommen durch das Fenster<br />

<strong>de</strong>s Lastwagens:<br />

Der Vater wirft eine glühen<strong>de</strong> Zigarette durchs Fenster. Die Tante bewegt die<br />

Hän<strong>de</strong> und re<strong>de</strong>t. (Faule Birnen, N: 96)<br />

Vaters Hän<strong>de</strong> drehen das Lenkrad. Ich sehe Vaters Haar durch das kleine Fenster<br />

hinter <strong>de</strong>n Tomatenkisten. Das Auto fährt schnell. Das Dorf sinkt ins Blaue. Ich<br />

verliere <strong>de</strong>n Kirchturm aus <strong>de</strong>n Augen. Ich sehe <strong>de</strong>n Schenkel <strong>de</strong>r Tante dicht<br />

neben Vaters Hosenbein. (Faule Birnen, N: 95)<br />

Die weißen Kilometersteine schauen mich an. Vaters halbes Gesicht steht über<br />

<strong>de</strong>m Lenkrad. Die Tante greift Vater ans Ohr. (Faule Birnen, N: 96)<br />

Das partielle Bild <strong>de</strong>s Vaters, von <strong>de</strong>n Hin<strong>de</strong>rnissen gefiltert, suggeriert das Gefühl<br />

<strong>de</strong>r Entfremdung. Es ist nicht zufällig, daß ein je<strong>de</strong>s Mal die Körperteile <strong>de</strong>s Vaters<br />

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