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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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Friedrich Schillers „ästhetischer Staat“<br />

Die Briefe über die ästhetische Erziehung <strong>de</strong>s Menschen sind eine direkte<br />

Konsequenz <strong>de</strong>r Beschäftigung Schillers mit <strong>de</strong>r Französischen Revolution und<br />

darin <strong>de</strong>r Wagnerschen Revolutionserfahrung nahe. Schiller publizierte sie 1795 in<br />

<strong>de</strong>n Horen, strich jedoch in <strong>de</strong>r Endfassung sämtliche Bezüge <strong>zur</strong> Revolution von<br />

1789, die in <strong>de</strong>r ursprünglichen Form <strong>de</strong>r Ästhetischen Briefe an seinen Gönner,<br />

<strong>de</strong>n Erbprinzen Friedrich Christian von Augustenberg vorhan<strong>de</strong>n waren, um<br />

dadurch <strong>de</strong>r Politikferne <strong>de</strong>r Horen Genüge zu tun. Christian Garve bestätigt er am<br />

25. Januar 1795 brieflich gleichwohl mit wünschenswerter Klarheit, die Briefe seien<br />

sein „politisches Glaubensbekenntnis“ 3 .<br />

Die Enttäuschung über die Revolution, die er anfangs begrüßt hatte, weil er mit<br />

ihren Zielen sympathisierte, kam angesichts <strong>de</strong>r Septembermor<strong>de</strong> 1792 in Paris<br />

und ist in <strong>de</strong>r Urfassung nachzulesen:<br />

Der Versuch <strong>de</strong>s französischen Volks, sich in seine heiligen Menschenrechte<br />

einzusetzen und eine politische Freiheit zu erringen, hat bloß das Unvermögen<br />

und die Unwürdigkeit <strong>de</strong>sselben an <strong>de</strong>n Tag gebracht und nicht nur dieses<br />

unglückliche Volk, son<strong>de</strong>rn mit ihm auch einen beträchtlichen Teil Europas und<br />

ein ganzes Jahrhun<strong>de</strong>rt in Barbarei und Knechtschaft <strong>zur</strong>ückgeschleu<strong>de</strong>rt. Der<br />

Moment war <strong>de</strong>r günstigste, aber er fand eine ver<strong>de</strong>rbte Generation, die ihn nicht<br />

wert war und we<strong>de</strong>r zu würdigen noch zu benutzen wußte. [B, 287]<br />

Schillers Überzeugung ist es, daß politische Probleme nicht „durch die blin<strong>de</strong><br />

Macht <strong>de</strong>s Stärkeren“, son<strong>de</strong>rn „von <strong>de</strong>m Richterstuhl <strong>de</strong>r Vernunft“ gelöst wer<strong>de</strong>n<br />

müssen. Dennoch stellt die Vernunft für ihn nicht das unanfechtbar höchste Gebot<br />

dar. Als Gegenpol <strong>zur</strong> Natur ist sie vielmehr nur eine Instanz in <strong>de</strong>r dualen Welt <strong>de</strong>r<br />

Gegensätze, mit <strong>de</strong>nen Schiller gedanklich operiert. Sein Argument lautet daher<br />

dann auch:<br />

[M]an muß durch das Ästhetische <strong>de</strong>n Weg nehmen, um ein politisches Problem in<br />

<strong>de</strong>r Erfahrung zu lösen, weil es die Schönheit ist, durch die man <strong>zur</strong> Freiheit<br />

wan<strong>de</strong>rt 4 .<br />

Vernunft und Natur sind zentrale Begriffe <strong>de</strong>s Schillerschen Denkens und damit<br />

auch seiner Ästhetik. Vernunft kennzeichnet das Gesetz <strong>de</strong>r Ratio, <strong>de</strong>r<br />

Gesetzmäßigkeit und Sittlichkeit, das Unverän<strong>de</strong>rliche und Objektive, Natur<br />

dagegen die Sinnlichkeit, das Triebhafte und Zeitverhaftete sowie die Materie.<br />

Dieser Typologie entspricht auch eine menschliche: Der rein sinnliche Mensch<br />

erscheint ihm als ein „Wil<strong>de</strong>r“, <strong>de</strong>r nur vernünftige als „Barbar“. „Der gebil<strong>de</strong>te<br />

Mensch“ aber, so Schiller, „macht die Natur zu seinem Freund und ehrt ihre<br />

Freiheit, in<strong>de</strong>m er bloß ihre Willkür zügelt“ (S, 14).<br />

Die Essenz <strong>de</strong>r Ästhetik Schillers liegt gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r unlösbaren Spannung<br />

3 Zitiert nach: Dieter Borchmeyer, Weimarer Klassik. Beltz Athenäum: Weinheim 1998, S.<br />

286. Im folgen<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Sigle B und unmittelbar im Text angeschlossener Seitenangabe<br />

zitiert.<br />

4 Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehund <strong>de</strong>s Menschen in einer Reihe von<br />

Briefen. Reclam: Stuttgart 1997, S. 7. Im folgen<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Sigle S und unmittelbar im Text<br />

angeschlossener Seitenangabe zitiert.<br />

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