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temeswarer beiträge zur germanistik - Facultatea de Litere, Istorie şi ...

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Überwindung <strong>de</strong>r Sinnlichkeit und <strong>de</strong>ren Harmonisierung mit <strong>de</strong>r Vernunft durch<br />

ästhetische Erziehung plädiert. Wagner verteidigt <strong>de</strong>mgegenüber gera<strong>de</strong> die<br />

Sinnlichkeit als fundamentale Quelle menschlicher Erfahrung.<br />

Die Versklavung <strong>de</strong>s Menschen durch das Christentum wird für ihn durch die<br />

mo<strong>de</strong>rne Industriegesellschaft zusätzlich verschärft. Wagner diagnostiziert im<br />

Sinne <strong>de</strong>r Kritik am Kapitalismus die Entfremdung <strong>de</strong>s Menschen vom Produkt<br />

seines Tuns: „Gibt er das Produkt seiner Arbeit von sich, verbleibt ihm davon nur<br />

<strong>de</strong>r abstrakte Geldwert“ (W,31). Damit hängt <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>r Verfall <strong>de</strong>r Kunst im<br />

19. Jahrhun<strong>de</strong>rt zusammen: In diesen Zeiten ist „[i]hr wirkliches Wesen die<br />

Industrie, ihr moralischer Zweck <strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>rwerb, ihr ästhetisches Vorgeben die<br />

Unterhaltung <strong>de</strong>r Gelangweilten" (W, 23).<br />

Die hier kritisierte Merkantilisierung <strong>de</strong>r Welt, die krassen Gegensätze <strong>de</strong>r<br />

kapitalistischen Industriegesellschaft – das Elend <strong>de</strong>s Volkes einerseits, die<br />

Prachtentfaltung <strong>de</strong>r Bankiers und <strong>de</strong>r Industriellen an<strong>de</strong>rerseits – hatte Wagner in<br />

seinen Pariser Jahren nicht nur kennen und hassen gelernt, son<strong>de</strong>rn als sich<br />

notorisch in Geldnot befin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Bohèmien auch am eigenen Leibe erfahren. Sein<br />

späteres Weltbild wird dadurch entschei<strong>de</strong>nd geprägt. Sein Meisterwerk, Der Ring<br />

<strong>de</strong>s Nibelungen, postuliert mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Götter auch das En<strong>de</strong> einer auf die<br />

Herrschaft <strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s (= Gel<strong>de</strong>s) gegrün<strong>de</strong>ten Gesellschaft und feiert im Paar<br />

Siegfried – Brünnhil<strong>de</strong> wahre Menschenliebe. Bezeichnen<strong>de</strong>rweise fällt die<br />

Konzeption dieses Werkes in die Zeit seiner theoretischen Ausführungen.<br />

Die äußerste Pervertierung <strong>de</strong>r Kunst besteht für Wagner in <strong>de</strong>ren merkantilem<br />

Gebrauchswert. Im Gegensatz zum Griechen, „<strong>de</strong>r selbst Darsteller, Sänger und<br />

Tänzer“ war, sei <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rne Mensch <strong>de</strong>m künstlerischen Akt wesentlich fremd,<br />

so Wagner: „[D]ie griechische öffentliche Kunst war eben Kunst, die unsrige –<br />

künstlerisches Handwerk“. Während <strong>de</strong>r Künstler mit seinem Tun Genuß verbin<strong>de</strong>t,<br />

reduziert sich die Kunst für <strong>de</strong>n Handwerker auf ihren puren Nutzen und d.h. nicht<br />

zuletzt ihren geldwerten Vorteil für ihn.<br />

Aus dieser Argumentation folgt für Wagner notwendigerweise, daß die Kunst <strong>de</strong>r<br />

Griechen konservativ war, da sie ja im Einklang mit <strong>de</strong>m Geist <strong>de</strong>r Bürger<br />

existierte, die mo<strong>de</strong>rne Kunst als echte Kunst aber revolutionär sein müsse. Das<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r konservativen griechischen Kunst, <strong>de</strong>ren höchster Ausdruck die Dramen<br />

<strong>de</strong>s Aischylos seien, habe sich durch die Auflösung <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s<br />

Gesamtkunstwerkes in seine Einzelteile, in die Kunstdisziplinen also, vollzogen:<br />

Rhetorik, Bildhauerei, Malerei, Musik usw.<br />

Das Ziel <strong>de</strong>r Revolution ist es nun laut Wagner, das „Kunstwerk <strong>de</strong>r Zukunft“,<br />

nämlich das neu belebte Gesamtkunstwerk zu ermöglichen, welches <strong>de</strong>r Künstler<br />

Wagner selbst vorbil<strong>de</strong>t und das „<strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s freien Menschen über alle<br />

Schranken <strong>de</strong>r Nationen hinaus umfassen“ (W, 36) soll. Ein Zurück zum<br />

Griechentum ist dabei we<strong>de</strong>r möglich noch wünschenswert; aus <strong>de</strong>ssen Fall<br />

müsse gelernt wer<strong>de</strong>n. Allein durch Menschenliebe, Freu<strong>de</strong> am Leben und „an uns<br />

selbst“, an <strong>de</strong>r Sinnlichkeit (<strong>de</strong>r „Natur“) „kann die Entwirrung <strong>de</strong>s großen<br />

Weltgeschickes“ vollzogen wer<strong>de</strong>n. Durch die Emanzipation <strong>de</strong>s Individuums und<br />

<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Unterschie<strong>de</strong> zwischen Arm und Reich entstehe das<br />

künstlerische, freie Menschentum, das durch Revolution an Stärke und durch die<br />

Kunst an Schönheit gewinnt.<br />

Die Erziehung widmet sich in diesem I<strong>de</strong>alstaate <strong>de</strong>r Schönheit, <strong>de</strong>r Kunst, auf daß<br />

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