13.12.2023 Aufrufe

Kontakte – Das Jahrbuch der KIT-Fakultät für Architektur 2023

Im Oktober 2023 ist das neue Jahrbuch der Fakultät erschienen: 468 Seiten Features, Dokumentation und Data aus Lehre, Forschung und Fakultätsleben. In deutsch und englisch.

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Der Corner, eine Ecke?<br />

Bestehende und<br />

potenzielle Corner in<br />

<strong>der</strong> Oststadt, Karlsruhe<br />

Ein Corner ist keine Ecke. Son<strong>der</strong>n ein Treffpunkt,<br />

an dem man verweilt. Da bei den meisten<br />

Gebäuden <strong>der</strong> deutschen, städtischen<br />

Blockrandbebauung das Kellergeschoss über<br />

den Bordstein ragt, lassen sich an fast jedem<br />

Hauseingang Sandsteintreppen mit drei bis fünf<br />

Stufen finden. Gerade an den Eckgebäuden bilden<br />

diese Treppenvorsprünge ein Aufenthaltspotenzial,<br />

welches die ursprünglichen Corner<br />

entstehen ließ. Heute sieht man im urbanen<br />

Raum viele Menschen aller Generationen verteilt<br />

sitzen. Doch worauf sitzen sie? Achtet man bei<br />

einem Stadtspaziergang bewusst darauf, so<br />

sieht man weitaus mehr passende, im Städtebau<br />

integrierte Objekte als man denkt. Ein Bewusstsein<br />

<strong>für</strong> diese Orte schafft <strong>der</strong> Blickwinkel und<br />

die Intention, mit <strong>der</strong> man sich in <strong>der</strong> Stadt bewegt.<br />

Hält man zum Beispiel sein Essen To Go in<br />

<strong>der</strong> Hand und möchte sich zum Essen setzen, so<br />

benötigt man nicht unbedingt eine Sitzbank. Bevor<br />

das Essen kalt ist, tut es die nächstmögliche<br />

Steinmauer auch. Es geht also um eine temporäre<br />

Umnutzung und einen Blickwinkel, in dem die<br />

ursprünglichen Funktionen einzelner Gebäudeteile<br />

o<strong>der</strong> Objekten außen vor gelassen wird. Der<br />

Bürgersteig wird zur unendlich langen Sitzbank.<br />

Die Tischtennisplatte zur Liegefläche.<br />

Hat man ein Bewusstsein <strong>für</strong> dieses Umnutzungspotenzial<br />

aufgebaut und merkt sich die<br />

Orte, so fällt die spontane Entscheidung leicht,<br />

an welchem Ort man am besten verweilen kann.<br />

Bei einem Treffen zu zweit reicht eine Eingangstreppe<br />

vor <strong>der</strong> Haustür. Kommen Menschen<br />

dazu, so wird vielleicht eher die Grenzmauer einer<br />

Kirche gewählt. Ab einer gewissen Anzahl<br />

wird es jedoch kritisch. Das Gegenübersitzen ist<br />

oft nicht möglich. Finden beispielsweise mehr<br />

als zehn Menschen zusammen, so werden wie<strong>der</strong>um<br />

die Treppenstufen <strong>der</strong> Mauer vorgezogen.<br />

Grund da<strong>für</strong> ist die Bodennähe, die zulässt, dass<br />

um die Treppe ein Sitzkreis auf dem Boden entstehen<br />

kann. Städtebauliche Typologien sind<br />

also essenziell, um potenzielle Corner zu finden.<br />

Beispielsweise lassen stark befahrene Straßen<br />

mit niedrigem Bordstein einen Bürgersteig eher<br />

weniger zu einem Corner werden. Ruhige Straßen<br />

mit hohem Bordstein, am besten vor o<strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Nähe eines Kiosks, bieten wie<strong>der</strong>um ein hohes<br />

Cornerpotenzial.<br />

Auch wenn Gebäudebauteile und Objekte<br />

zu einem privaten Grundstück gehören, so kann<br />

<strong>der</strong> Akt des Cornerns nicht als Sachbeschädigung<br />

und Hausfriedensbruch betitelt werden.<br />

Um Komplikationen zu vermeiden, muss die<br />

Müllentsorgung und Lärmbelästigung kommuniziert<br />

werden. Lassen sich zwischen den Verweilenden<br />

und Anwohnern Abmachungen treffen,<br />

so lässt sich beobachten, dass diese urbanen<br />

Aufenthaltsorte oft Straßengemeinschaften<br />

stärken und Akzeptanz entsteht.<br />

Es sind also unzählige potenzielle Aufenthaltsorte<br />

in allen Formen im städtischen Raum<br />

zu finden. Ob diese zu einem Corner werden, ist<br />

von verschiedenen Faktoren abhängig. Altbauteile<br />

aus Naturstein sind wegen ihrer Wärmespeicherfähigkeit<br />

beliebter als Stahl o<strong>der</strong> Beton.<br />

Zusätzlich lässt sich beobachten, dass einem<br />

Corner als regelmäßig aufgesuchter Treffpunkt<br />

eine Identität zugesprochen wird. Neu erbaute<br />

Corner brauchen also Zeit, um sich zu etablieren<br />

und einen Identitätszuspruch, eine Atmosphäre<br />

und somit Beliebtheit zu erlangen.<br />

Freie Seminararbeit<br />

MA<br />

Sommersemester 2022<br />

Prof.’in Dr. Barbara Engel<br />

Anna Kuzyshyn<br />

Malik Al-Bosta<br />

L Cornertypologien<br />

M Corner-Karte Oststadt, Karlsruhe<br />

Corner2: Ludwig-Wilhelm-Straße<br />

N Fotografie und Analyse<br />

O Axonometrie<br />

320<br />

Engel

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