Kontakte – Das Jahrbuch der KIT-Fakultät für Architektur 2023
Im Oktober 2023 ist das neue Jahrbuch der Fakultät erschienen: 468 Seiten Features, Dokumentation und Data aus Lehre, Forschung und Fakultätsleben. In deutsch und englisch.
Im Oktober 2023 ist das neue Jahrbuch der Fakultät erschienen: 468 Seiten Features, Dokumentation und Data aus Lehre, Forschung und Fakultätsleben. In deutsch und englisch.
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Luftschlösser?<br />
Inflatables und <strong>der</strong><br />
Traum von <strong>der</strong> mobilen<br />
<strong>Architektur</strong><br />
Ant Farm, ein in San Francisco gegründetes <strong>Architektur</strong>-<br />
und Kunstkollektiv, zu dessen Kern<br />
Chip Lord, Doug Michels und Curtis Schreier<br />
zählten, experimentierte in den 1970er-Jahren<br />
mit neuen Medien, Materialien und Konzeptionen<br />
von <strong>Architektur</strong>. Die alternativen Lebensund<br />
Gesellschaftsentwürfe <strong>der</strong> counterculture<br />
und die aufkommende Umweltbewegung prägten<br />
die Projekte <strong>der</strong> Gruppe maßgeblich. Darunter<br />
befanden sich Inflatables, aufblasbare, begehbare<br />
Gebilde, <strong>für</strong> <strong>der</strong>en Bau Ant Farm 1971<br />
eine Anleitung veröffentlichte. Das Inflatocookbook<br />
– mit reichlich handgezeichneten Illustrationen<br />
ausgestattet – steht in einer Reihe zeitgenössischer<br />
Publikationen, die Selbstversorgung<br />
und Do-it-Yourself propagierten. In unserem Seminar<br />
diente es als Ausgangspunkt, um innerhalb<br />
von vier Tagen in einem gemeinschaftlichen<br />
Nachbau die Möglichkeiten und Bedingungen,<br />
aber auch Herausfor<strong>der</strong>ungen des Bauens mit<br />
Luft zu erproben.<br />
In einem ersten Schritt stellten die Studierenden<br />
verschiedene Modelle nach Plänen <strong>der</strong><br />
Ant-Farm-Publikation aus Plastikfolie sowie Klebeband<br />
her und testeten Lösungen <strong>für</strong> die Luftzufuhr<br />
wie auch Eingänge im kleinen Maßstab.<br />
Im Anschluss daran wurde über die Vor- und<br />
Nachteile <strong>der</strong> Formen – kissen-, kuppel- o<strong>der</strong><br />
ringförmige Gebilde – und Schwierigkeiten bei<br />
<strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Modelle gesprochen. Auf<br />
dieser Basis wählten die Studierenden den Torus<br />
als die Form aus, die in begehbarer Größe gebaut<br />
werden sollte. Nachdem die Aufgaben bei<br />
<strong>der</strong> Umsetzung verteilt waren, begannen die<br />
Vorbereitungen, die den Bau eines Papiermodells,<br />
die Berechnung des Materialverbrauchs,<br />
die Auswahl <strong>der</strong> Folie, die Anfertigung von Schablonen<br />
und den möglichst materialsparenden<br />
Zuschnitt <strong>der</strong> Folienbahnen einschlossen. Präsentationen<br />
zu Ant Farm und ihrer Anleitung, <strong>der</strong><br />
Nutzung von Inflatables in den frühen 1970er-<br />
Jahren sowie <strong>der</strong> zeitgenössischen Verwendung<br />
von pneumatischen Strukturen in künstlerischen<br />
Projekten und avantgardistischen <strong>Architektur</strong>en<br />
lieferten den historischen Hintergrund <strong>für</strong> unser<br />
Experiment.<br />
Am letzten Tag wurde <strong>der</strong> ausgesuchte<br />
Bauplatz auf dem Gelände <strong>der</strong> Westhochschule<br />
vorbereitet und mit Planen ausgelegt. Nachdem<br />
bereits am Vorabend mit den Klebearbeiten begonnen<br />
worden war, ließ sich <strong>der</strong> Reifen relativ<br />
zügig fertigstellen und entfaltete sich mittels eines<br />
handelsüblichen Ventilators schnell zu voller<br />
Größe. Zuletzt wurde ein langer Schlitz als Einstieg<br />
in die Außenhaut des Inflatable geschnitten,<br />
<strong>der</strong> durch ein dahinter angebrachtes Stück<br />
Folie so verschlossen wurde, dass das in seiner<br />
Gestalt einem riesigen Schwimmflügel ähnelnde<br />
Gebilde nicht in sich zusammenfiel.<br />
Der Aufenthalt im Inneren des Reifens erwies<br />
sich als Erlebnis <strong>für</strong> alle Beteiligten. Durch<br />
das semitransparente, leichte Material entstand<br />
ein ungewöhnlicher, instabiler Raum, dessen<br />
Konstruktionsweise aber durch das farbige Klebeband<br />
nachvollziehbar blieb. Eine beson<strong>der</strong>e<br />
Wirkung entfaltete das Inflatable nach Einbruch<br />
<strong>der</strong> Dunkelheit, als es nach Vorbild <strong>der</strong> frühen<br />
1970er-Jahre als Projektionsgrund <strong>für</strong> Bil<strong>der</strong><br />
und Videos diente.<br />
In dieser Funktion kam das Inflatable bei<br />
<strong>der</strong> Vorstellung von Gastprofessorin Prof.’in Dr.<br />
Linda Báez-Rubí im Innenhof des <strong>Architektur</strong>gebäudes<br />
erneut zum Einsatz.<br />
Seminarwoche<br />
BA, MA<br />
Sommersemester 2022<br />
Prof.’in Dr. Inge Hinterwaldner,<br />
Dr. Barbara Filser (IKB) zusammen<br />
mit Prof.’in Dr. Rosemarie Wagner,<br />
Kai Heinlein, Stefan San<strong>der</strong>,<br />
Maximilian Kosoric (IEB)<br />
Florian D’Ornano, Nele Herbig,<br />
Matthias Köllner, Aline Lang,<br />
Johannes Mußmacher, Anna Konradt,<br />
Benedikt Taudacher, Sophie John<br />
354<br />
Hinterwaldner