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Ausgabe 209

Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>209</strong> / 21. 12. 2023<br />

Wissenschaft & Technik<br />

Steriles Laborequipment<br />

aus dem 3D-Drucker<br />

157<br />

Wiener ForscherInnen des Austrian Centre of Industrial Biotechnology<br />

und der BOKU Wien entwickeln ein steriles 3D-Druckverfahren<br />

In Laboren weltweit werden große Mengen<br />

an Plastikmüll produziert. Dabei handelt<br />

es sich meist um Gegenstände, die nur einmal<br />

verwendet werden, weshalb es ein er -<br />

klärtes Ziel wissenschaftlicher Einrichtungen<br />

in den Life Sciences ist, Strategien zur Reduzierung<br />

von Einwegkunststoffen zu finden.<br />

Dies geschieht im Bemühen, der Verschmutzung<br />

des Planeten vorzubeugen und sowohl<br />

den Klimazielen 2023 und 2040, den Nachhaltigkeitszielen<br />

der Vereinten Nationen als<br />

auch hierzulande der österreichischen Einwegkunststoffrichtlinie<br />

Rechnung zu tragen.<br />

Diese Richtlinien sehen u.a. vor, bestimmte<br />

Kunststoffprodukte aus Einwegkunststoff zu<br />

vermeiden und zu vermindern.<br />

Derzeit belaufen sich die Kunststoffabfälle<br />

aus Laboren weltweit auf über 5,5 Mil -<br />

lionen Tonnen pro Jahr. Zum Vergleich ist das<br />

mehr, als Indien mit 3 Mio. Tonnen in einem<br />

Jahr an Plastik produziert. Hinzu kommt,<br />

daß dieser Kunststoffabfall auf der einen<br />

Seite weder biologisch erzeugt, noch biologisch<br />

abbaubar ist. Auf der anderen Seite sind<br />

Labore vollständig von der Lieferkette für<br />

Einwegkunststoffe abhängig, was sich insbe -<br />

sondere bei Unterbrechungen wie der Covid-<br />

19-Krise oder in Kriegszeiten als sehr problematisch<br />

erwies und erweist, da die Lieferzeiten<br />

für Einwegkunststoffe teilweise mehr<br />

als 6 Monate betragen. Ein Umstand, der die<br />

Produktion wichtiger Medikamente, Impfstoffe<br />

und Produkte des Alltags gefährdet –<br />

und damit direkt die Gesundheit von uns<br />

Menschen.<br />

Um nicht länger von Lieferketten und um -<br />

weltschädlichem Plastik abhängig zu sein,<br />

entschied sich ein ForscherInnenteam rund<br />

um Peter Satzer, Scientist am Austrian Centre<br />

of Industrial Biotechnology (acib) und<br />

am Institut für Bioverfahrenstechnik (IBSE)<br />

an der BOKU Wien, ein neues Druckverfahren<br />

zu entwickeln, um Laborequipment aus<br />

umweltfreundlichem Plastik selbst herzustellen:<br />

Schüttelkolben für den einmaligen<br />

Gebrauch als auch komplette Bioreaktoren<br />

konnten mithilfe biokompatibler, kompostierbarer<br />

Polymilchsäure (PLA) 3D-ge -<br />

druckt werden. Dazu wurden handelsübliche<br />

Foto: BOKU/Christoph Gruber<br />

Priv.Doz. Peter Satzer; Scientist am acib und Forscher am Institut für Bioverfahrenstechnik<br />

BOKU Wien, mit seiner Instituts-Kollegin Lena Achleitner<br />

3D-Drucker verwendet. Der Vorteil: Die<br />

kompostierbaren Schüttelkolben für den Einmalgebrauch<br />

haben einem Materialendpreis<br />

von lediglich 60 Eurocent. „Im Vergleich da -<br />

zu kosten entsprechende Schüttelkolben aus<br />

Einwegkunststoff bislang rund 10 € pro<br />

Stück, mit dem Nachteil, daß diese nicht biologisch<br />

abbaubar sind“, erklärt Satzer und<br />

weist darauf hin, daß „die selbst gedruckten,<br />

kompostierbaren Schüttelkolben im Vergleich<br />

zu handelsüblichen Einwegkunststoffen<br />

dieselben, strengen Qualitätseigenschaften<br />

aufweisen.“ Dies ist insofern wichtig, da<br />

in diesen Schüttelkolben u.a. menschliche,<br />

embryotische Nierenzellen (HEK), Ovarial -<br />

zel len des chinesischen Hamsters (CHO) und<br />

Insektenzellen kultiviert werden. Satzer:<br />

„Diese drei Zelllinien sind derzeit wichtige<br />

Ausgangsstoffe für die Forschung als auch<br />

die Produktion neuer Arzneimittel, darunter<br />

Krebsbehandlungen, Impfstoffe und Gentherapien.“<br />

Dieser neue Ansatz des 3D-Drucks kompostierbarer<br />

Biomaterialien soll langfristig<br />

eine Demokratisierung der Herstellung er -<br />

möglichen und WissenschaftlerInnen den Vor -<br />

teil bieten, die benötigte Geometrie von La -<br />

borequipment frei wählen zu können. „Das<br />

Verfahren soll außerdem dabei helfen, nur<br />

jene Einwegartikel zu drucken, die tatsächlich<br />

benötigt werden, um Ressourcen, Ko -<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />

sten und vielfach nur begrenzt verfügbaren<br />

Lagerraum zu sparen“, so Satzer.<br />

Darüber hinaus arbeiten die ForscherInnen<br />

an einem Verfahren, mit dem sterile Tei -<br />

le gedruckt werden können. Satzer: „Der<br />

derzeitige Stand der Technik sah entweder<br />

die Verwendung von teuren Einwegartikeln<br />

oder die Verwendung wiederverwendbarer<br />

Glasware vor, welche bisher energie- und<br />

ressourcenaufwändig gereinigt werden muß -<br />

te. Durch das sterile 3D-Druckverfahren wür -<br />

de eine bisher notwenige Sterilisation dieser<br />

Bauteile nach dem Druck entfallen, was den<br />

Energie- und Wasserverbrauch um über 90<br />

Prozent senkt.“ Nimmt man einen kommerziellen,<br />

zur Sterilisation von Laborequipment<br />

eingesetzten Autoklav in einem durchschnittlichen<br />

mikrobiologischen Labor mit<br />

25 ForscherInnen als Rechenbeispiel, verbraucht<br />

dieser jährlich das 65fache an Strom<br />

wie ein durchschnittlicher österreichischer<br />

Haushalt, 1800 m³ an Wasser und das Labor<br />

produziert ca. 1.3 Tonnen an Plastikmüll. Bei<br />

einer Gesamtzahl von 40.000 MitarbeiterInnen<br />

in der – stetig wachsenden – Life-Science-Forschung<br />

in Österreich bedeutet dies<br />

einen nicht zu unterschätzenden Ressourceneinsatz,<br />

der durch den direkten sterilen 3D-<br />

Druck aller benötigten Kunststoffe erheblich<br />

minimiert werden könnte.<br />

https://boku.ac.at/

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