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Ausgabe 209

Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>209</strong> / 21. 12. 2023<br />

Kultur<br />

165<br />

Finanzmarkts. Der verheerende Brand des<br />

Ringtheaters 1881 machte die Schattenseiten<br />

der Gewinnmaximierung deutlich. Die An -<br />

gehörigen des verarmten Kleinbürgertums<br />

und der ausgebeuteten Arbeiterschaft begannen,<br />

gegen ihre Lage zu protestieren.<br />

„Zu Beginn hatten wir viele Fragen und<br />

nur eine Antwort: Im Zentrum müssen die<br />

Menschen stehen, abseits von Glanz und<br />

Gloria. Die werdende Metropole zeigte viele<br />

Gesichter. ZuwandererInnen, Männer, Frauen<br />

und viele Kinder, erbauten mit ihrer Hän -<br />

de Arbeit Haus um Haus. Nachkommen früherer<br />

Zuwanderer:innen lebten als neue Elite<br />

am Ring. Eine Gesellschaft, die sich bereits<br />

überlebt hatte und 70 Jahre Staub: Zahlreiche<br />

Unglücksfälle, tragische Schicksale so -<br />

wie eine am Ende überschaubare Anzahl von<br />

,Gewinnern‘ prägten die Ringstraßenära“,<br />

sagt Kuratorin Michaela Lindinger.<br />

Foto: Lisa Rastl / Wien Museum<br />

Meine Geschichte – Ringstraßenzeit<br />

Schönheit am Abgrund Wien um 1900<br />

Um die Jahrhundertwende war Wien ein<br />

internationales Zentrum der Moderne: Kunst,<br />

Musik, Literatur und Philosophie revolutionierten<br />

die Art und Weise, wie die Welt gesehen<br />

wurde. Bis heute beeinflussen die Errungenschaften<br />

dieser Epoche das Selbstbild der<br />

Stadt und die Erwartungen vieler BesucherInnen.<br />

Doch das pulsierende kulturelle Leben<br />

fand vor dem Hintergrund unvorstellbarer<br />

Ar mut statt. Gewaltige Gegensätze prägten<br />

die Stadt: Glanz und Glamour waren einer<br />

kleinen Elite vorbehalten, ein großer Teil der<br />

Wiener Bevölkerung lebte im Elend.<br />

Die Gemeindeverwaltung versuchte, mit<br />

neuen Infrastrukturprojekten den Lebensstandard<br />

zu erhöhen, doch die sozialen Un -<br />

gleichheiten traten immer deutlicher zutage.<br />

Die Menschen begannen sich zu wehren:<br />

Die Arbeiterschaft forderte ihre Rechte ein.<br />

Frauen gingen auf die Straße, sie kämpften<br />

für ihr Wahlrecht, für Bildung und ein selbstbestimmtes<br />

Leben. Der Erste Weltkrieg<br />

änderte schließlich alles.<br />

„Schon 1985 kuratierte ich für die Ausstellung<br />

,Traum und Wirklichkeit – Wien<br />

1870 – 1930‘ das Kapitel über die Wiener<br />

Werkstätte. Daher war es für mich eine großartige<br />

Herausforderung und spannende Aufgabe<br />

zugleich gemeinsam mit Michaela Lindinger<br />

das Wien um 1900 für die neue Dauerausstellung<br />

zu konzipieren. Für uns war es<br />

wichtig, das Wien um 1900 in all seinen Fa -<br />

cetten, aus verschiedenen Gesichtspunkten<br />

betrachtet und eingebettet in einem neuen<br />

Kontext zu zeigen“, so Kuratorin Regina Kar -<br />

ner.<br />

Foto: Lisa Rastl / Wien Museum<br />

Meine Geschichte – Wien um 1900<br />

Utopie im Alltag Das Rote Wien<br />

Wie verbessert man das Leben der breiten<br />

Bevölkerung? Jahrzehntelang hatten SozialdemokratInnen<br />

visionäre Konzepte für eine<br />

gerechtere Gesellschaft entwickelt. Nach dem<br />

Ersten Weltkrieg bestand in Wien die Möglichkeit<br />

zur Umsetzung: Ein gigantisches<br />

Re formprojekt begann, das alle Lebensbereiche<br />

miteinbeziehen sollte.<br />

Mit der Errichtung von Gemeindebauten,<br />

städtischen Schulen, Kindergärten und öf -<br />

fentlichen Bädern schrieb sich das Rote<br />

Wien nachhaltig in die Stadt ein. Gleichzeitig<br />

gab es Raum für innovative Entwicklungen<br />

in Architektur, Design, Musik, Bühne,<br />

Film und Wissenschaft.<br />

Der Austrofaschismus bereitete dieser<br />

gesellschaftlichen Modernisierung ein jä -<br />

hes Ende. Die Wirkung der Reformen des<br />

Roten Wien wird bis heute international dis -<br />

kutiert.<br />

„Das Rote Wien brachte radikale Veränderungen<br />

in die Stadt. Bis heute ist die Ge -<br />

schichte dieser Zeit stark im Stadtbild vertreten<br />

und die Errungenschaften dieser Epoche<br />

sind in vielen Dimensionen ein Maßstab für<br />

gegenwärtige Politik geblieben. Gleichzeitig<br />

handelt es sich um eine Zeit, die von starker<br />

gesellschaftlicher Polarisierung und zunehmend<br />

auch von Auseinandersetzungen geprägt<br />

war. Beim Erzählen dieses Abschnitts der<br />

Stadtgeschichte fällt der Blick unweigerlich<br />

auf die Ursachen der später folgenden Verwerfungen<br />

des 20. Jahrhunderts – und auf<br />

die Herausforderungen der Gegenwart“, so<br />

Kurator Sandro Fasching,<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

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