Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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gänglich war wie Herr Schubert. Herr Hüngen für gewöhnlich kurz angebunden, und der<br />
konnt’ auch mal grantig werden, jedenfalls war er mitunter sperrig, und dann war da noch<br />
was: Als ich Herrn Hüngen das erste Mal zum Baden hatte auffordern müssen, hatte es geheißen:<br />
„Sagen Sie mal, gibt es denn unter euch Brüdern nie mal einen, dem das peinlich is’, von<br />
so’m alten Mann zu verlangen, dass er sich vor euch ganz und gar herzeigen soll?“<br />
„Wieso, das geht doch nich’ ums Herzeigen, Herr Hüngen. <strong>Das</strong> is’ doch nur, damit Ihnen<br />
beim Baden nichts passiert.“<br />
„Wieso, was soll mir denn passier’n? Sehen Sie denn nich’, dass ich körperlich noch ganz<br />
normal beieinander bin?“<br />
„Doch, aber ich darf Sie trotzdem nicht alleine baden lassen.“<br />
„Aber mir gegenüber so tun als würden Sie, das könnten Sie.“<br />
„Wie meinen Sie’n das?“<br />
„Na, bevor ich mich ganz und gar nackt mache, setzen Sie sich da im Badezimmer mit’m<br />
Rücken zu mir auf’n Hocker, und wenn ich raus bin aus der Wanne, sag’ ich Bescheid, wann<br />
ich wieder was anhab’.“<br />
„Sind Sie das von meinen Vorgängern so gewöhnt?“<br />
„Von Ihren Vorgängern? Sie, ich hab’ mein Lebtag nich’ gelogen, da werd’ ich jetzt<br />
nich’ damit anfangen. Mit andern Worten: Nee. Ihre Vorgänger hatten allesamt ihren Spaß<br />
dran, mich zu demütigen.“<br />
„Nee, Herr Hüngen, das nehm’ ich Ihnen nicht ab.“<br />
„<strong>Das</strong> wundert mich nicht. Seit wann hackt eine Krähe der andern die Augen aus? Und das<br />
verlang ich auch gar nich’. Ich möcht’ nur nich’ weiter erniedrigt werden.“<br />
„Sie, ich will Sie nicht erniedrigen, Herr Hüngen.“<br />
„Dann haben Sie ein Einsehen, jedenfalls so lange ich noch nich’ gebrechlich bin. Danach<br />
is’ eh alles egal.“<br />
„Nein, ist es auch nicht, Herr Hüngen.. Und wenn Sie mir jetzt versprechen, dass Sie vorsichtig<br />
sind, vor allem beim Ein- und Aussteigen –“<br />
„– dann muss ich Ihnen meine Nacktheit nich’ vorzeigen?“<br />
„Nee, müssen Sie nich’, aber das ja nicht irgendwo auszuposaunen, sonst komm ich in<br />
Teufelsküche.“<br />
„<strong>Das</strong> is’ mir schon klar, Bruder, aber da haben Sie von mir nix zu befürchten.“<br />
„Gut, dann geh’ ich Wasser einlassen.“<br />
„Na dann mal los, worauf warten Sie noch. Und schönen Dank fürs Respektier’n. <strong>Das</strong><br />
rechne ich Ihnen hoch an, Bruder.“<br />
„Sie, Bruder, CASINO gab’s nich’ und JUBILAR hatten sie auch nich’. Ich hab’ Ihnen<br />
SALEM mitgebracht. Ansonsten hatten sie bloß noch CARMEN, und da dachten wir uns, die<br />
sind Ihnen bestimmt zu teuer.“<br />
„Sind sie auch, Herr Hüngen, SALEM is’ schon richtig. Die hatten sie bloß die letzten<br />
Male nich’. Kostet die Schachtel immer noch einssechzig?“<br />
„Ja, ja, kostet sie. Haben sie insgesamt achtzig Pfennig gespart.“<br />
„Kann ich gut gebrauchen. Ich will doch morgen nach Berlin rein.“<br />
„Da würd’ ich auch gern noch mal hin wollen. Aber wenn man so alt is’ wie ich, dann hat<br />
man nischt mehr zu wollen, Bruder. Hier jedenfalls nich’.“ – Worauf ich nicht antworten<br />
mochte; hätte nämlich zugeben müssen, dass er recht hatte. Und ich bezahlte, was zu bezahlen<br />
war, und dann machten wir aus: Nachmittag so kurz nach drei; das Bad im Obergeschoß, und<br />
alles wie die letzten Male, und wie die letzten Male saß ich dann nachmittags auch auf dem<br />
Höckerchen, brav mit dem Rücken zur Badewanne. – „Au verdammt –“<br />
„Was is’n?“<br />
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