Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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„Doch, doch, auch da in’ner Chausseestraße. Justus is’ doch nich’ aus der Wohnung, nur<br />
weil ich mich mit Lilli hingelegt hab’. <strong>Das</strong> war doch alles sauber abgesprochen. Wenn ich<br />
hinkam, sind Lilli und ich in die Schlafstube und Justus is’ in’ner Wohnstube geblieben. Kam<br />
sogar vor, dass er da währenddessen mit’m Freund zugange war. <strong>Das</strong> hat uns nich’ gestört.<br />
Sie, da haben wir alle eisern zusammengehalten. Schon ganz und gar, als die Nazis am Ruder<br />
war’n. Da hat sich so einer wie Justus doch doppelt und dreifach vorsehen müssen. Und weil<br />
es bei den Freunden, die er hatte, zu Hause nich’ ging... zwei war’n verheiratet, und deren<br />
Frauen wussten von nischt, und dann hatte er noch ’n Freund, der wohnte in Untermiete, bei<br />
dem war auch nischt zu machen, also sind sie immer zu Justus gekommen. Da war’n sie wenigstens<br />
sicher, dass sie keiner verpfiff. Und sagen Sie jetzt nich’, das wäre das reinste Sodom<br />
und Gomorrha gewesen, so wie das da bei Lilli und Justus in’ner Schlafstube rein und raus<br />
ging, aber manchmal war das Bett noch warm, wenn ich da mit Lilli gelandet bin. <strong>Das</strong> ging<br />
nich’ anders. Wenn wir nich’ wollten, dass sie Justus eines Tages irgendwo hopp nehmen,<br />
und das wollten wir absulut nich’, also musst’ er zu Hause das Bett oder das Sofa mit seinen<br />
Freunden genauso nutzen dürfen wie Lilli und ich. – Ja, ja, so war das alles, Bruder. Aber das<br />
bleibt unter uns, ja? <strong>Das</strong> geht hier ansonsten keinen was an.“<br />
„Weiß auch Herr Schubert so was nich’? Mit dem spinnen Sie doch ’n guten Faden,<br />
oder?“<br />
„Ja, ja, kann man so sagen. Erwin und mich verbindet ja auch ’ne Vergangenheit. Wir<br />
haben doch in Berlin auf einer Ritze gewohnt, und so einer wie Erwin war ja nich’ zu übersehen.<br />
Sie, das war mal ’n verdammt Stattlicher. Der hat körperlich mächtig was hergemacht.<br />
Auf den waren die Frauen aus wie wahnsinnig.“<br />
„Kann ich mir vorstellen. Herr Schubert macht ja heut noch was her.“<br />
„Ja, ja, aber kein Vergleich mit damals. Den hätten Sie mal sehen sollen, als er noch als<br />
Bademeister fungiert hat. <strong>Das</strong> wissen Sie doch, dass er so was früher im Sommer regelmäßig<br />
gemacht hat, oder?“<br />
„Ja, ja, das hat er mir erzählt. Im Sommer Bademeister –“<br />
„– und im Winter hat er den Leuten die Kohlen gebracht. Und bei mancher Hausfrau is’<br />
er dann zwischendurch mal ’n Viertelstündchen hängengeblieben. Und so dreckig wie er vom<br />
Kohlentragen nun mal war. <strong>Das</strong> hat den Frauen nischt ausgemacht. Meine Lilli war da übrigens<br />
auch nich’ kleinlich.“<br />
„Ach so –“<br />
„Ja, ja, so war das, Bruder. Auch Lilli hat sich dem Erwin mal hingeben. Aber ihm nich’<br />
sagen, dass Sie das von mir wissen, sonst denkt er noch, ich hab’ wunder was von ihm ausgeplaudert.“<br />
„Wieso, dass er seiner Frau nich’ immer treu war, das weiß ich, das hat er mir erzählt.<br />
Nur nich’, dass er auch in Ihrer Familie gegrast hat.“<br />
„Ja, ja, das hat er, der Erwin. Erst Lilli und dann... Nee, nee lassen Sie mal, ich hab’ Ihnen<br />
gegenüber jetzt sowieso schon mehr als genug rausgelassen. Aber ’n Wunder is’ es nich’<br />
nach allem, wie das hier vorhin so abgelaufen is’. Sie so was von selbstverständlich zugefasst,<br />
und nich’ den gerinsten Ausdruck von Geringschätzigkeit auf’m Gesicht, als Sie gesehen haben,<br />
was mit mir los is’. Sie, das hat mich innerlich mächtig aufgewühlt. Hätt’ nicht viel gefehlt,<br />
und mir wär’n die Tränen gekommen.“ – Und auf ging die Tür und rein schaute Herr<br />
Bergemann. – „Ach hier sind Sie, Bruder. Sie, ich würde bei dem Wetter ganz gern ’n Stück<br />
in’ Wald gehen, aber heut’ is’ ja eigentlich Sonnabend, oder können Sie mir das Badenmüssen<br />
diese Woche mal ausnahmsweise erspar’n? Ich würd’ mich heute Abend vorm Zubettgehen<br />
auch besonders gründlich waschen. Auch die Füße und so.“<br />
„Na gut, dann gehen Sie mal spazier’n, Herr Bergemann. Aber das muss unter uns bleiben,<br />
dass ich Ihnen das Baden erspart hab’, sonst krieg’ ich nämlich unter Umständen Ihretwegen<br />
Ärger.“<br />
„Ja, ja, ich weiß Bescheid, Bruder. Ich bin doch nich’ von gestern.“<br />
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