Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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wer durfte das schon 1962 und ein knappes Jahr nach Mauerbau. Also so einer wie ich durfte<br />
solches nicht. Aber sonst auch kaum wer. Selbst Rentnern war dies ja damals noch lange Zeit<br />
nicht erlaubt; das kam ja bekanntlich erst im Herbst ’64, dass Oma und Opa, und wenn die<br />
denn wollten, dann konnten sie, hatten sie ‚drüben‘ Kinder, auch gleich ganz in den ;Westen‘<br />
ziehen. – Meine Großeltern hätten’s gekonnt. Die hatten neben der Tochter in Elbberge, was<br />
meine Mutter war, auch noch eine Tochter im Schwäbischen, in Heilbronn; aber die hatte<br />
einen Despoten und außerdem einen gegendtypischen Häusli-Bauer, knickrig wie sonstwas,<br />
zum Mann, und mit dem wollten meine Großeltern nichts zu tun haben; wogegen sie an dem<br />
Mann ihrer Tochter Inge in Elbberge nicht das Geringste auszusetzen hatten. Mein Vater meinen<br />
Großeltern ein Schwiegersohn wie aus dem Bilderbuch. An diesem Mann stimmte rein<br />
alles. Und letztlich war es ja auch so. Aber letztlich nur für mich, denn meine Großeltern wären<br />
garantiert aus den Pantinen gekippt, und ihre Inge gleich hinterher, wenn sie gewußt hätten,<br />
was sie nicht wussten, nämlich dass Taxi- und Gütertaxiunternehmer Lorenz Mathesius<br />
sein Eheleben-<strong>Das</strong>ein außerehelich bereicherte. Mein Vater ging fremd in Hülle und Fülle,<br />
und zwar gleich in zwei Richtungen; egal ob Männlein oder Weiblein, Hauptsache bumsen.<br />
Aber das wusste nur ich. Ich so ab 16, also seit 1959. Da bin ich in den Sommerferien eines<br />
Tages mit ihm mitgefahren, runter bis Altenburg, wo er eine Fracht abzuholen hatte, die Porzellansammlung<br />
eines Arztes, der nach Elbberge gezogen war, weil man ihn im dortigen<br />
Krankenhaus zum Chefarzt der Neurologischen gekürt hatte.<br />
Umgezogen war Herr Dr. Dr. Erasmus Klavenow zwar mit einer Altenburger Speditionsfirma,<br />
aber der auch die kostbaren Porzellane zu überlassen, höchst Edles aus der Meißen-<br />
Manufaktur, das war dem Mann nicht das Rechte gewesen; diese seine Sammlung ließ er von<br />
meinem Vater holen. Also Vater und ich mit unserem Kleinlaster namens ‚Möwe‘ runter nach<br />
Altenburg und rauf auf Klavenows verwaistes, noch nicht verkauftes Grundstück. Und im<br />
Haus, wo die Kisten mit dem feinen Geschirr standen, da gab es auch noch ein Liegesofa, ein<br />
ausrangiertes, nur noch nicht im Sperrmüll gelandet. Und auf diesem Liegesofa, wir uns<br />
Schlafdecken mitgebracht, konnten wir übernachten; wir mussten erst anderen Tag wieder<br />
zurück; denn Dr. Klavenow hatte nicht gewollt, dass mein Vater sich hetzte, und übernahm<br />
großzügig entsprechende Spesen; was anfiele, fiele an, kein Problem. Also aßen Vater und ich<br />
in Altenburg auch üppig zu Abend. Wenn ich mich richtig erinnere, war das kleine Restaurant<br />
ein Ableger des Spielkartenmuseums oder des Schlosses. Jedenfalls war es für DDR-<br />
Verhältnisse schon was Ordentliches. Da saßen wir gut, da speisten wir auch gut, und die Bedienung,<br />
’ne Frau so um die Dreißig.... „Was sagst’n, Sohnemann?, fragte mein Vater, „wär’<br />
das Mädel, so wie sie ausschaut, deine Kragenweite? Ich meine, du und ich, wir haben über so<br />
was ja noch nie gesprochen. Aber jetzt, wo wir mal so richtig lange unter uns sind, da sollten<br />
wir auch endlich mal von Mann zu Mann reden, denn in dem Alter angekommen bist du ja<br />
inzwischen. Ich hab’ letzte Woche was in die Wäschetruhe geschmissen, und da hab’ ich gesehen,<br />
dass deine Taschentücher, die da drin lagen, vor lauter Flecken regelrecht steif war’n.<br />
Und nu hab‘ ich zwar keene Angst, dass du’s mit den Nerven kriegst,. aber trotzdem, mit dir<br />
darüber reden, das sollt’ ich schon mal. – Nee, nee, jetzt nich’ rot werden, Jochen, ich sprech’<br />
das doch nur an, weil... hast du schon mal was mit’m Mädel gehabt? Du weißt schon: ihr im<br />
Bett was gönnen und so?“<br />
„Nee.“<br />
„Holst’ dir also bisher immer nur einen runter und lässt’ es im Taschentuch?“<br />
„Na ja, kommt schon mal vor.“<br />
„Klar, was soll sein, wenn man sonst nischt hat. Also verstehen tu ich’s, nicht dass du<br />
denkst, dein Vater versteht das nicht. Aber das Wahre ist es ja nun nicht grade. Und wenn ich<br />
so seh’, wie die junge Frau da zu uns rüberguckt. Na eigentlich vor allem zu mir, aber dich<br />
einfach aussperren, das geht ja nun auch wieder nicht. – Ja, ja, guck nicht so, alle Männer<br />
brauchen noch was neben der Ehefrau her, und so lange die’s nicht mitkriegt, was ist schon<br />
dabei, wenn du deinen Dreck mal in irgend’ner andern Möse ablädst. Ist jedenfalls allemal<br />
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