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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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„Na Gott sei Dank.“<br />

„Was heißt denn Gott sei Dank, Bruder? Wär’ ich blind, müsst’ ich mir wenigstens nich’<br />

all das Drumherum hier mit ansehen. Womit ich jetzt nicht Sie meine, Bruder. Nee, nee, Sie<br />

gefallen mir. Müssten bloß mehr Zeit für unsereiner haben. Was nützt mir ein blitzblanker<br />

Fußboden. Kann man sich so oder so nicht mit unterhalten.“ Worauf ich auch bald kam und<br />

all das Geputze samt Gerenne etwas laxer angehen ließ. Aber dazu bedurfte es eines souveräneren<br />

Umgangs mit all den mir obliegenden Pflichten, als ich ihn in den ersten Woche aufzubringen<br />

imstande war. Zunächst war ich schon froh, dass ich alles schaffte. Morgens all meinen<br />

Hausgenossen in den neuen Tag verhelfen, vormittags schrubben, wischen, wienern, und<br />

nachmittags hatte ich, neben weiterem Putzen, Ordnungmachen, Ordnunghalten, dafür zu<br />

sorgen, dass den mir überantworteten 26 Heimbewohnern eine gründliche Körperpflege zuteil<br />

wurde. Denn dass die Alten nahezu samt und sonders die reinsten Dreckschweine wären und<br />

im Handumdrehen stinken täten, wenn man ihnen nicht wenigstens einmal wöchentlich ein<br />

Vollbad samt Haarwäsche verordnete, darüber herrschte beim Personal breiteste Meinungsübereinstimmung.<br />

„Aber keinen ohne Aufsicht in der Badewanne lassen, auch nicht die, die<br />

noch von allein rein und rauskommen“, ward mir von Bruder John eingeschärft, und mein<br />

Einwand, dass es ja vielleicht nicht jeder mögen würde, sich vor mir nackt zu machen, vor<br />

allem wenn er’s noch nicht nötig hätte, weil er sich gut und gern noch selbst helfen könnte,<br />

dieser Einwand ward mit der Bemerkung vom Tisch gewischt: „<strong>Das</strong> ist nur eine Frage der<br />

Zeit, Bruder Mathesius. Wer es heut noch nicht nötig hat, der hat’s morgen oder übermorgen<br />

nötig. Da soll er mal gefälligst heute schon üben, nicht genierlich zu sein. Außerdem, da kann<br />

ich Sie beruhigen, Sie werden’s nicht erleben, dass das jemandem peinlich ist, jedenfalls keinem,<br />

der sich hier schon eingelebt hat. Wenn sich hier wer sträubt, dann weil er wasserscheu<br />

ist und sich gern mit ’ner Katzenwäsche begnügt oder mit gar nichts. Und wenn wir das<br />

durchgehen ließen, hätten wir hier bald Läuse und Schlimmeres. Also wenn Sie sich mal<br />

wirklich nicht durchsetzen können, dann rufen Sie mich. Was denken Sie, wie schnell der<br />

Betreffende sein Gezeter aufgibt. Wär’ allerdings besser, Sie würden sich selbst eines energischen<br />

Tonfalls befleißigen, wenn gut zureden nicht hilft. Und das hilft mitunter nicht. Je älter,<br />

um so bockiger.“<br />

Na ja, so schlimm war es nun auch wieder nicht. Nee wirklich nicht. Auch wenn das Baden<br />

nicht jedermanns Sache war, schon gar nicht jede Woche. – „Na gut, wenn Sie’s nicht<br />

weitersagen, dann lassen wir mal ’ne Woche aus.“<br />

„Oder zwee.“<br />

„Nee, nee, Herr Schubert, eine Woche reicht.“<br />

„Na gut, weil Sie es sind, Bruder. Außerdem das Einseifen, das können Sie prima. Wär’<br />

aber noch schöner, ich sag’s mal einfach, nicht gleich meckern, aber schöner wär’s noch,<br />

wenn Sie sich nicht nur über meinen Rücken hermachen würden, sondern mich quasi so überall,<br />

das wäre noch schöner, das wär’ mir ’ne Wohltat, das hat nämlich früher meine Elli immer<br />

gemacht. Ach Gott ja, meine Elli. Seit ich die nicht mehr habe. Kein Gestreichelt werden,<br />

kein gar nichts mehr. Wer streichelt denn Sie, Bruder? Hier haben Sie doch auch keinen Menschen,<br />

und das in so jungen Jahren, wenn selbst ich das heute noch dringend brauchte. Und<br />

ich werd’ nächsten Monat schon sechsundsiebzig. Da denkt man doch, das mit den Bedürfnissen,<br />

das hört irgendwann auf, aber bisher... also bei mir... Sie, nehmen Sie mir das nicht übel,<br />

dass ich Ihnen so was sage, ja? Und vor allem mich ja nicht verpetzen. Ich weiß nämlich<br />

nicht, ob Sie das schon mitgekriegt haben, aber die wollen hier doch alle, dass wir uns wie die<br />

Eunuchen fühlen. Als ich mal Flecke im Bette hatte, da ist der, der hier damals für uns zuständig<br />

war, gleich zu Bruder John gerannt. Und der hat mich dann runtergemacht. Wenn man<br />

noch mal so was bei mir entdecken würde, wäre ich hier nicht tragbar, würden sie sich mit<br />

meiner Tochter in Verbindung setzen. Dann müsst’ sie dafür sorgen, dass ich in ein staatliches<br />

Heim käme. Da wo ich dann mit zwanzig Andern in einem Schlafsaal läge, und sie einem den<br />

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