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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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Bruder Lorenz Ihnen mal wieder mit was kommt... nie Ja sagen ohne meine Zustimmung,<br />

haben Sie verstanden?“<br />

„Ja.“<br />

„Na gut, aber in diesem Zusammenhang gleich noch was. Wenn Bruder Paechter Sie mal<br />

mit irgendwas beauftragt, was Ihnen... na ich will man so sagen: nicht so recht plausibel vorkommt,<br />

dann das bitte nicht in Angriff nehmen, sondern erstmal zu mir kommen. Der Hausvater<br />

hat nämlich unter uns gesagt hin und wieder Ideen, die sollte man erst sorgsam prüfen,<br />

bevor man ans Umsetzen geht.“<br />

‚Ei fein‘, dacht’ ich, ‚hier geht’s ja prächtig zu. Einer dem Andern sein Deibel, wie Tante<br />

Hilde immer sagt.‘ Die übrigens auch immer sagte, da sollt’ man sich raushalten. – Ja, ja, alles<br />

gut und schön, aber wie sich raushalten, wenn man mittendrin steckte, und in nichts die<br />

geringste Lebenserfahrung, am allerwenigsten im Sich-Durchlavieren. Und also mir nun etwas<br />

mulmig zumute, als ich mich, von Bruder John kommend, im Speisesaal an den sogenannten<br />

Brudertisch setzte, an dem Bruder John mittags und abends nicht mit von der Partie<br />

war; mittags und abends aß er zu Hause, was dem Bruder Seibold, obwohl auch eine Familie,<br />

nicht gestattet war. Der hatte der Speisesaal-Aufsicht wegen auf eine Tischgemeinschaft mit<br />

Frau und Kind zu verzichten. Schließlich war er (sein Ausdruck:) nur ein „Fußvolkdiakon“,<br />

was ihm aber letztlich nichts ausmachte; der strebte nicht nach Höherem, das war lediglich<br />

Bruder Lorenz’ Art, und ich nun gespannt, wann mir und wie mir Lorenz überbrächte, dass<br />

ich mich am nächsten Tag nicht um Herrn Boche zu kümmern brauchte. Irgendwann musste<br />

er mir das ja wohl ausrichten. Wenn nicht vor aller Ohren bei Tisch, dann danach. Aber es<br />

geschah weder das eine, noch andere. Lorenz bei Tisch mich auf Herrn Boche nicht angesprochen,<br />

sprach mich auch nach dem Essen in dieser Angelegenheit nicht an. Der holte nach dem<br />

Essen von denen, die ihre Mahlzeiten in seinem Verantwortungsbereich auf dem Zimmer einnahmen,<br />

das Geschirr zurück, und es in der Küche dem Abwasch übergeben, verzog er sich<br />

sang- und klanglos in den Feierabend. Weg war er, und ich fragte mich: Hieß das etwa, Bruder<br />

Lorenz hielt, sich dem leitenden Diakon stillschweigend widersetzend, an der mit mir getroffenen<br />

Abmachung fest? Tja, wie das jetzt rauskriegen? Bei ihm anklopfen, ihm sagen, ich<br />

wüsste von Bruder John das und das, und also wäre ja wohl die Sache mit Herrn Boche aus<br />

der Welt, nicht wahr. – ‚Nee‘, dacht’ ich, ‚das mach’ mal lieber nich’, wart’ mal lieber ab bis<br />

morgen früh. Und sagt er dann immer noch nichts –‘<br />

Nun ja, ich entschied mich, sagte Lorenz dann immer noch nichts, dann würde ich mich<br />

nach der Andacht im Beisein von Bruder John nach seinen Rückenproblemen erkundigen, ihn<br />

fragen, ob’s dabei bleiben müsste, ihm den Herrn Boche abzunehmen. ‚Und im Beisein von<br />

Bruder John wird er wohl schwerlich Ja sagen können‘, so dacht’ ich und schaltete für die<br />

Männer, die nach dem Abendessen im Speisesaal sitzen geblieben waren oder sich dort<br />

nochmals eingefunden hatten, den Fernseher an; will sagen: ich begann mit dem Spätdienst.<br />

Ich bereitete für den nächsten Morgen das Verabreichen der Medikamente vor, und kein<br />

Heimbewohner, dem zu schlucken nichts verordnet war; ein gewisses Quantum war also jedem<br />

bereitzustellen, und dies vollbracht, schaute ich in allen drei Häusern bei den Bettlägerigen<br />

nach dem Rechten; an diesem Abend eine leichte Übung: Außer dass einer der Männer<br />

sich eingepisst hatte, neues Bettzeug brauchte, gab’s nichts Zeitraubendes zu tun; meine<br />

Runde war schnell absolviert, ich konnt’ mich schon bald ins Haus 3 zu Herrn Boche verfügen,<br />

um ihn ins Bett zu bringen. Mal sehen, ob er meckerte, dass ich schon so früh kam, obwohl<br />

er wusste, dass ich mich zu ihm, entgegen den Gewohnheiten meiner Brüder-Kollegen,<br />

stets zuletzt auf den Weg machte und zudem, mich seiner annehmend, nicht auf die Uhr<br />

schaute. Die Anderen schafften sich beim Spätdienst den Herrn Boche stets ohne Pardon als<br />

Erstes vom Hals, und das per Hopp-Hopp; man hätt’ nicht nur ihn zu betreuen.<br />

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