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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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eitstreifig gerodet quer durch den Forst, und auf der gegenüberliegenden Seite der Schneise,<br />

am Rand der Schneise, längs der Schneise, eine Reihe hoher Baumstämmestapel, und wohin<br />

ich mich jetzt wenden musste, wenn ich’s denn wollte, das sagten mir meine Ohren; ich<br />

musste, wenn ich den Mut aufbrachte, nur schlichtweg gradaus, auf meiner Höhe hinter den<br />

Langholzstapeln vielstimmig’ Gejapse, Gefiepe, Gestöhn’, als gäb’s da einen Vielfachfick,<br />

und welche schon schier am Abnippeln, und jetzt jaulte wer auf, und ich hörte wen lachen und<br />

gleich auch wen reden und noch mal wen jaulen, wen lachen, und jemand rief: „Was is’ denn<br />

da los, hat einer ’ne Jungfer erwischt?“ – „Ja, ja, sieht so aus, aber das nützt ihm jetzt auch<br />

nichts mehr, da muss er schon durch“, rief wer zurück. Und nun gab’s ein Gequake, Gequieke,<br />

und ich dachte:‚Auweia, da ist ja was Schlimmes im Gange.‘ Und in diesem Moment kam<br />

an den Stapeln einer zum Vorschein, der fummelte sich im Gehen die Hose zu, und ich<br />

huschte hinter den nächsten Baum, aber das war ’ne Sekunde zu spät, der Kerl mich entdeckt,<br />

an hob ein Wispern: „He, wer versteckt sich’n da? Wer bist’n? – Ach kiek mal an, ’n Bruder,<br />

und der steht hier so ganz alleen rum, na so wat. Warum machen Sie’n det, Bruder? Geh’n Sie<br />

doch rüber, die sind da noch mächtig beim Ficken, heut is’ doch Freitag, da ist doch Zigarettentag.“<br />

– ‚Wat für’n Tag?‘ denk’ ich, und ich wär’ jetzt lieber weg gewesen, aber in dem<br />

Moment kommt noch wer an, und der fragt: „Mit wem redeste denn hier, Heiner? Wer is’n<br />

det? – Na nu, da sind Sie ja wieder, Gottesruh-Bruder. Warum sind Sie denn vorhin weggeloofen?<br />

Sie hätten mich doch, ich lass mich doch gern. Na jetzt nich’ mehr, jetzt haben Sie<br />

Pech, jetzt haben mich schon einige, da hab’ ich vorerst genug, aber kommen Sie mal mit, da<br />

drüben, da find’ sich noch einer. Na los, kommen Sie mit, ich bring’ Sie da rüber.“<br />

„Nee, nee, nich’ nötig, Richard, da muss ich nich’ hin, lass mal los –“<br />

„– nee, nee, nicht wieder wegloofen, wie sieht’n det aus. Kommen Sie mal mit, die freu’n<br />

sich. Wat mit’m Bruder, det wollen wir doch alle. Na los, kommen Sie ficken, det lohnt sich,<br />

heut sind wir doch viele, is’ Freitag.“<br />

‚Ja, ja, aber trotzdem –‘, wollte ich sagen, und dass ich da nicht mit rüber wollte, wollte<br />

ich sagen, und dass er meine Hand loslassen sollte, auch das, aber dazu hätte ich jetzt wohl<br />

energisch werden müssen, und energisch hieß abweisend abwehrend barsch, und wenn dieser<br />

Richard, ’n Kopf größer als ich, jetzt ärgerlich wurde... was wusste denn ich, wie so einer<br />

reagierte, wenn ihm was nicht in dem Kram passte, und also ließ ich mich lieber drauf ein.<br />

Und wie der Andere, dieser Heiner, nun sieht, dass ich mitgehe, da rennt er vorneweg, verschwindet<br />

zwischen den beiden Holzstämmestapeln, von wo er auch aufgetaucht war, und ich<br />

hör’ ihn plappern: „Hört mal auf, Leute, alle mal herhör’n, jetzt gibt es Besuch. Is’ aber ’n<br />

Guter, is’n Bruder, der will weiter nischt, als mitmachen. Lassen Sie ihn mal mitmachen, Herr<br />

Offizier.“ – ‚Offizier?‘, dacht’ ich, ‚was für’n Offizier?‘, und schon kam ich mit Richard hinter<br />

das hoch aufgeschichtete Langholz, und da sah ich eine weitere Reihe solcher Baumstämmestapel,<br />

und zwischen den beiden Reihen... also ich hatte ja schon erwartet, dass es da nicht<br />

grad wenige miteinander trieben, aber dass es schier ’ne ganze Kompanie war... na, wirklich,<br />

da standen sie dicht bei dicht, und so weit ich es erkennen konnte, allen die Hose gerutscht;<br />

alle untenrum nackt, und einer sagt: „Guten Abend. Komm mal ran, lass dich begutachten.“<br />

Und Richard, der stupst mich, der brabbelt: „Na geh’n Sie schon, Bruder. Der Mann is’ hier<br />

freitags der Chef.“ – Der Chef? Und der Mann? Na wenn es „der Mann“ hieß, dann war der<br />

Betreffende kein Anstaltsinsasse, denn für die Insassen war keiner Ihresgleichen „der Mann“,<br />

wenn die auf einen der Ihren zeigten, dann hieß es: „Der Junge da“ oder „Der Alte da drüben“<br />

oder „der Kerl da“ oder schlichtweg „der da“. Denn hieß es „der Mann“, dann war der solchermaßen<br />

Titulierte einer von außerhalb, ein Besucher oder was auch immer, jedenfalls keiner,<br />

der nach Emmaus gehörte. Diese Beobachtung hatten alle Brüder gemacht, mit denen ich<br />

bislang gesprochen hatte, und immer hatte es auch geheißen, dass das ein Phänomen wäre,<br />

dieses sichere Gespür aller Kranken, wer zu ihnen gehörte, und wer nicht. Wobei es bei dem<br />

Mann, an den ich jetzt ranging, keines besonderen Gespürs bedurfte; da reichte das meine,<br />

beziehungsweise mein Hinsehenkönnen, und das selbst im Finstern zwischen den Stapeln:<br />

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