Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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„Nein, warum sollt’ ich?.“<br />
„Na dann ist gut. Und nun leere mal noch den Pott aus. Ist aber bloß Pisse drin, kannst du<br />
aus dem Fenster kippen.“<br />
Was ich tunlichst unterließ;. ich kippte nichts aus dem Fenster, rauf auf die Blumenrabatte,<br />
ich leerte Boches spezielles Notdurftbehältnis brav in der Toilette aus, und es wieder in<br />
die entsprechende Hängevorrichtung unter dem Sitz des Rollstuhls geschoben, war an diesem<br />
Abend meiner Dienstpflicht am Nächsten in diesem Zimmer genüge getan. – „So, das wär’s<br />
für heute. Gute Nacht, Herr Boche.“<br />
„Ja, ja, Gute Nacht. Meine wird kurz wie immer. Vor drei, halb vier schläft unsereiner<br />
nun mal nicht ein. Hast du das gehört, Junge? Bis drei, halb vier bin ich jede Nacht munter.<br />
Wollte ich nur mal gesagt haben. So für alle Fälle. Falls dich mal das Mitleid ankommt.“<br />
„Ja, ja, alles klar“, sagt’ ich, knipste das Licht aus, sah zu, dass ich wegkam. Ward höchste<br />
Zeit, im Speisesaal das Fernsehprogramm zu beenden. Was ich so genau bald nicht mehr<br />
nahm; fand ein Film erst zehn nach zehn oder Viertel elf ins Finale, ließ ich es die, die da<br />
hockten, auch sehen, obwohl die, die da hockten, mich niemals darum baten und mir auch<br />
kaum mal anzeigten, dass meine Geduld sie freute. In aller Regel blieben sie lediglich die paar<br />
Minuten, dich ich drangab, länger hocken. Und dass die Männer anschließend vernahmen,<br />
dass ich ihnen eine gute Nacht wünschte, ward mir auch nur höchst sporadisch angezeigt.<br />
Meist gab’s, gab’s nichts mehr zu sehen, lediglich ein allgemeines Stühlegeschurre, und man<br />
schlurfte hinaus. Und für den Spätdienst war dann die letzte Runde des Tages fällig; nochmals<br />
war nach den Bettlägerigen schauen, und zudem war zu denen zu gehen, die nachts aus sich<br />
heraus nicht zur Ruhe kamen; die bekamen eine Schlaftablette verabreicht. Herr Boche übrigens<br />
nicht; der verabscheute Schlafmittel, und der Anstaltsarzt, im Verschreiben ansonsten<br />
nicht grad zaghaft, machte um Herrn Boche, ging’s um Medikamente, ohnehin gern einen<br />
Bogen; Herr Boche schluckte dauerhaft lediglich Vitaminpräparate. Mittelchen gegen akut<br />
auftretende Beschwerden wurden, schien’s nicht mehr dringlich, fix wieder abgesetzt, damit<br />
es den geschwächten Organismus, wie es hieß, nicht noch zusätzlich belastete. Aber Bruder<br />
John, mich in Sachen Boche eingeweiht, ließ mir gegenüber den wahren Grund blicken: Der<br />
Anstaltsarzt bei Herrn Boche mit Verschreibungen geradezu kleinlich, weil Boches die Knochen<br />
zermürbende Krankheit, dem Mann gegenüber als letztlich harmlose Gicht hingestellt,<br />
für Herrn Dr. Sauer keine mit lediglich Emmauser Möglichkeiten exakt diagnostizierbare war.<br />
Aber eine fachärztliche Begutachtung, nur außerhalb der Anstalt möglich, wurde stillschweigend<br />
nicht in Erwägung gezogen, und Herr Boche forderte eine solche Begutachtung auch<br />
nicht ein. „Da herrscht nun mal Einvernehmen trotz des fortschreitenden Verfalls“, kommentierte<br />
Bruder John mir gegenüber die unter normalen Gegebenheiten schier nicht vorstellbare<br />
Unterlassung, den elenden Mann an einen Spezialisten zu überweisen. „Boche muss tatsächlich<br />
gewaltig viel Dreck am Stecken haben, dass er lieber verreckt, als aus dem Versteck zu<br />
kriechen, und wir, wir werden uns hüten, womöglich in Verruf zu kommen. Denn wenn auch<br />
die heutzutage hier in Emmaus Verantwortlichen lediglich annehmen, Boche hätte nicht mehr<br />
zu verbergen, als dass er fünfundvierzig einen Russen erschlagen hat, hat keiner Interesse<br />
dran, dass plötzlich womöglich ans Tageslicht kommt, durch welchen Zufall auch immer,<br />
dass die Kirche bei Kriegsende so jemandem Asyl gewährt hat. Denn selbst dann, wenn es<br />
wirklich nur das wäre, brächte das nicht nur die Anstaltsleitung in Teufels Küche. <strong>Das</strong> wäre<br />
der Kirche bei dem schlechten Stand, den sie beim Staat ohnehin schon hat, insgesamt nicht<br />
förderlich. Was garantiert auch Boche weiß, dass hier schon längst keiner mehr mit was rausrücken<br />
darf. Der Mann ist ja nicht dumm. Trotzdem wird er sich hüten, den Bogen zu überspannen.<br />
Also wenn er Ihnen was Unziemliches anträgt... ich denk’ mal, fruchten würde es<br />
schon, wenn Sie ihm mit einer Anzeige drohen, denn er weiß, sie gehören hier nicht wirklich<br />
dazu, die Kirche kann ihnen eigentlich gestohlen bleiben. Sie überbrücken hier nur die Zeit,<br />
bis Sie zu einem Studienplatz gekommen sind. <strong>Das</strong> heißt: Sie hat die Anstaltsleitung nicht im<br />
Griff. Die kann Ihnen kein Schweigen auferlegen, um was zu vertuschen. Jedenfalls gibt’s<br />
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