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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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„Ja, weil Sie ’n Bruder sind, seh’ ick doch, aber zu mir müssen Sie ‚Du‘ sagen. ‚Sie‘<br />

heißt det hier nur, wenn sie eenen von uns ausschimpfen. Wissen Sie det denn nich’?“<br />

„Nee, ich arbeite nich’ hier unten. Ich bin oben von Gottesruh.“<br />

„Ach von da sind Sie, da wo all die alten Knacker sind. Sie, det wär’ nischt für mich, ick<br />

muss’et jung um mich haben. Ick bin ja auch selbst noch jung.“<br />

„Ja, wie alt bist’n?“<br />

„Soll ich Ihnen det mal zeigen, Bruder?“<br />

„Wie ‚zeigen‘?“<br />

„Na woran man det beim Mann am besten sieht. Aber da müssen Sie da mit rüber kommen,<br />

da wo’et dunkel is’. Hier unter der Lampe darf ick’n nich’ raushol’n.“<br />

„Nee, nee, lass mal, ich muss weiter, nu rauch’ mal lieber.“<br />

Emmaus im Abenddösen, und ich sah zu, dass ich wegkam. – Puh, was war denn das für<br />

einer, der lief mir doch jetzt hoffentlich nicht hinterher. – Nee, lief er mir nicht, aber ich<br />

schlug trotzdem vorsichtshalber einen Bogen, nicht, dass der Bursche womöglich mitkriegte,<br />

wo ich hinging, denn ich hätte eigentlich nur noch schräg rüber gemusst, nur noch an der<br />

Schmiede vorbei, aber nun lief erst einmal gradeaus und dann einen Querweg rein, am Haus<br />

soundso vorbei... „Sie, Bruder, wie wärs’n mit’ner Zigarette, haben Sie eene für mich übrig?“<br />

„Ja, warte –“<br />

„Na prima. Schönen Dank auch. Wo woll’n Sie denn hin?“<br />

„Nur ein Stück spazier’n geh’n.“<br />

„Dann passen Sie aber uff, Bruder, da hinten gibt’s manchmal Füchse.“<br />

„Die werden mir schon nix tun.“<br />

„Sie sagen Sie das mal nich’, die könnten die Tollwut haben und dann auweia. – Sie,<br />

könnt’ ich vielleicht noch ’ne zweete Zigarette kriegen. Für Maxe, det is’ meine Mutter. Und<br />

Günter is’ meine Frau, aber Günter raucht nich’ Det wär nich’ gut für det Baby. Der kriegt<br />

doch von mir ’n Baby, der is’ doch in andern Umständen, und das schon ’n ganze Weile.<br />

Zweimal war inzwischen schon Weihnachten.“<br />

Ja, ja, Emmaus im Abenddösen, und das war mir nun doch gewöhnungsbedürftig; ich<br />

fand’s schon ein wenig gruselig, ich war halt noch nicht anstaltstrocken hinter den Ohren.<br />

Bisher hatte ich ja auch mit denen „von da unten“ (wie das in Gottesruh hieß) noch nicht<br />

groß was abzumachen gehabt. Schon gar nicht im Finstern, mal abgesehen von der Nacht zuvor,<br />

die Begegnung mit diesem Richard und so, aber ansonsten... das kam ja jetzt alles erst<br />

auf mich zu, und dann ging es auch fix: Dauerte gar nicht lange, und schon zuckt’ ich mit<br />

keiner Wimper, huschte ich abends oder gar nachts durchs Dorf und stolperte über manches<br />

Irre, manches Wirre, und im Wald, den für mich entdeckt, war es nicht anders; Gott ja, das<br />

war halt so in Emmaus, das war halt Emmaus, das MÄNNERDORF. Da musst’ einem doch<br />

vor Gewissem nicht gruseln. Zum Gruseln waren da einzig die Verhältnisse, die Gewisses<br />

blühen machten: Irrsinn ließ Irrsinn ins Kraut schießen. Aber darauf musst’ ich erst kommen,<br />

so weit war ich in Emmaus noch nicht angekommen an diesem Samstagabend; das Wetter<br />

noch schönster August, aber laut Kalender hatten wir den 1.September, und zwei Zigaretten<br />

losgeworden, erreichte ich endlich die Tischlerei. Da war unten, also in der Werkstatt, alles<br />

dunkel, aber oben war Licht, und nach oben kam man über eine Außentreppe; und ich da also<br />

hoch, und nach allem, was ich die Nacht zuvor gehört hatte, zunächst von diesem Harri, dann<br />

vom Richard, da war ich gespannt wie’n Flitzbogen, und trotzdem: ich jetzt so kurz vorm<br />

Ziel, da hatt’ ich auf einmal Manschetten; ich stand da vor der Tür, sah neben der Tür auch<br />

die Klingel, hätt’ nur noch draufdrücken müssen, aber stattdessen war mir auf einmal nicht<br />

wohl in meiner Haut; jedenfalls hatt’ ich plötzlich zittrige Knie, und mir arg zögerlich zumute...<br />

einerseits, andrerseits, und bevor ich nicht geklingelt hatte, konnt’ ich ja immer noch abhauen.<br />

– Nee, konnt’ ich nicht. Auf ging die Tür, und vor mir stand Bruder Kurze, der Erich.<br />

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