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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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is uff die Schultern, und Bärte haben die, die jeh’n ihnen bis zur Brust. Det sieht regelrecht<br />

unheimlich aus. Und dann loofen’se da bei sich ooch ständig in so langen grauen Gewändern<br />

rum. So als gingen’se in Sack und Asche. Und drunter sollen’se weiter nischt anhaben, keene<br />

Hose, keen Hemd, rein gar nischt, so heißt det. Und außerdem gehen’se immer barfuß. Sommers<br />

wie Winters. Wie wenn’se ’ne Sekte wär’n. Jedenfalls wat Mysteriöses. Die soll’n ooch<br />

nachts, wo andre Leute gewöhnlich schlafen, da in dem Teufelspfuhl baden oder quer durch’n<br />

Wald reiten. Immer in diesen sackartigen langen Gewändern. Wat ja an sich allet noch nischt<br />

besagt, aber det wird ooch gemunkelt, aus den Dörfern rundum, also aus Bünow und Karge<br />

und Damelow, und sogar aus Darneute, da soll’n sich nachts zu dem Wiesinger immer mal<br />

wieder Frauen hinschleichen, die sich wat Unerwünschtet wegmachen lassen wollen. Det<br />

könnte der Wiesinger, heißt det, det hätt’ er sich von seiner Mutter abgekuckt, det war ’ne<br />

Hebamme, aber Abtreibungen hat’se ooch vorgenommen, bis’se mal ertappt worden is’, und<br />

da ging’se ab ins KZ. Det war so neunzehnhundertneununddreißig oder -vierzig. Is’ bei den<br />

Nazis denn auch umgekommen, und ihr Mann, also vom jetzigen Wiesinger der Vater, der hat<br />

sich kurz nach’m Krieg ’n Strick genommen, der hat sich uffgehängt. Wobei et nich’ ausgeschlossen<br />

is’, dass dem sein Sohn nachgeholfen hat. Die beeden soll’n sich nämlich nie verstanden<br />

haben. Der junge Wiesinger soll nur mit seiner Mutter gekonnt haben. Und auch da<br />

wird so manchet gemunkelt. Der Wiesinger hat nämlich noch ’n Bruder gehabt, sechzehn<br />

oder siebzehn Jahre jünger als er und von Geburt an ’n absoluter Vollidiot, konnt’ gut und<br />

gern aus’ner Inzucht herrühr’n. Den Bruder jibt’s aber nich’ mehr. Der is’ nich’ alt geworden,<br />

nur sieben oder acht. Den haben die Nazi irgendwo hingebracht, und da is’er denn auch bald<br />

gestorben. Den ollen Wiesinger soll’et gefreut haben, sagt man. Gut, is’ ja allet nur Gemunkel.<br />

Aber wo’se munkeln, is’ immer ooch wat dran.“<br />

„Und woher weißt du das alles?“<br />

„Von ee’m unsrer Ausbilder, Peter heißt er. Der stammt aus Karge und is’ mit dem Wiesinger<br />

noch um soundso viel Ecken verwandt. Von Peter weeß ich übrigens auch, weil er ’n<br />

Schwager hat, der is’ Offizier bei der Staatssicherheit und der hat durchblicken lassen, dass<br />

die Stasi auf den Wiesinger-Hof ’n mächtiges Auge hat. Und zwar in punkto Sektenbildung.<br />

Wat ja gut sein kann, so wie die Drei da rumloofen. Na jedenfalls astrein sind die gewiss<br />

nich’. Am Wiesinger-Hof sollteste nachts nur vorbeischlittern, wenn et gar nich’ anders geht.<br />

Denn wenn die da wirklich auf Sekte machen, dann suchen sie garantiert nach welchen, die’se<br />

vereinnahmen können. Und so’n junger Mann wie du, da denk’ ick mal, da denken’se, der<br />

gloobt vielleicht noch am ehesten an det, wat sie in die Welt bringen wollen. Junge sind doch<br />

noch am leichtesten zu ködern. Und wenn’se dich da dann nachts so loofen sehen, dann sprechen’se<br />

dich womöglich an, und wenn du denn zu all dem Gefasel Nein sagst –“<br />

„– dann bringen sie mich um, oder wie?“<br />

„Na sein kann allet. Solche sind doch fanatisch, und wenn da wat nich’ klappt –“<br />

„– Mensch Harri, hör auf, wir leben doch nich’ im Mittelalter, und überhaupt... du, übel<br />

is’ mir zwar nich’ mehr und Hunger hab’ jetzt auch keinen, der is’ mir vergangen, aber wie<br />

wär’s, wenn wir jetzt endlich schlafen würden. <strong>Das</strong> is’ jetzt zehn nach eins, und was hast du<br />

gesagt, wann müssen wir wieder aufsteh’n? Halb fünf?“<br />

„Ja, so etwa. Aber lieber noch ’n bissken früher. Morgens... na du weeßt schon, da hab’<br />

meist ’n mächtigen Drang. Uffwachen und loswichsen is’ jedesmal eens. Aber morgen früh,<br />

da brauch’ ick doch wohl nich’ zu wichsen, oder? Da darf ick’da ficken, ja? Ick würd’ dir<br />

danach auch gleich eenen abkauen.“<br />

„Det kannst’ auch jetzt noch fix machen, du Schweinchen. Und morgen früh herrscht<br />

dann Gleichberechtigung. Du erst mich, meinetwegen, aber anschließend ich dich.“<br />

„Aber soll denn det jetzt immer so sein, so’ne Art Gleichberechtigung? Du weeßt doch,<br />

dass ich an so wat eigentlich nich’ groß Intresse hab’.“<br />

„Wie wär’s denn mit antrainier’n?“<br />

„Ja, meinste det ernst?“<br />

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