Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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dächtnis, was ich in jedes Näpfchen, jedes Gläschen zu tun hätte, meinte der Hausvater, der<br />
mir allerdings einschärfte, während er da am Medikamentetisch flink zugange war, mich nicht<br />
zu früh aufs Gedächtnis zu verlassen, weil es fatal wäre, irrte ich mich und jemand kriegte<br />
was Falsches verabreicht. – Aber ja, na klar, sah ich ein; das durft’ nicht passieren.<br />
Tja, und was war mir noch so vom Bruder Paechter eingeschärft worden, ihn beim Spätdienst<br />
begleitend? Na vor allem dies: <strong>Das</strong>s ich mich bei denen, bei denen man abends extra<br />
noch mal nach dem Rechten schauen müsste, ja nicht länger als nötig aufhalten sollte. Die<br />
„Burschen“ ja nicht verwöhnen. Wenn ich mich einmal dazu hinreißen ließe, große Gespräche<br />
zu führen, dächten sie womöglich, das müsste von nun an immer so sein. Und besondere Vorsicht<br />
bei diesem Boche, der im Haus 3 das Pendant zu dem Zimmer bewohnte, in dem ich im<br />
Haus 2 wohnte. Der Mann müsste abends noch mal mit Schlangengift eingerieben werden.<br />
„Aber das lassen Sie sich mal lieber morgen Abend von Bruder Siebold zeigen. Wenn ich Sie<br />
da jetzt mitnehme, das kostet mich zu viel Zeit. Der hat Sie doch noch nicht kennengelernt.“<br />
„Nein, da sind wir Mittag nicht rein. Da sollt’ ich mich heute Abend vorstellen.“<br />
„Ja, ja, Boche braucht mittags seine zwei Stunden Schlaf, aber das Vorstellen hat Zeit bis<br />
morgen. Soll mal Bruder Seibold machen. Sonst steh’n wir jetzt ewig bei Boche rum. Und ich<br />
bin eh schon spät dran, dadurch dass ich Ihnen so viel zu erklären hatte.“<br />
Na gut, wenn er meinte, der Hausvater. Was sollt’ ich dagegen sagen? Auch wenn das ja<br />
wohl hieß, am nächsten Tag hatte ich nochmals nach meinem offiziellen Dienst mit jemandem<br />
mitzutraben. Aber bitte, warum nicht, eine Anstrengung war der Spätdienst ja nicht,<br />
wenn alles normal verlief. Und also war der Hausvater allein zu diesem Boche gegangen, war<br />
dadurch nach einer knappen Viertelstunde wieder zurück, und dann hatten wir gemeinsam alle<br />
anderen Zimmer abgeklappert, in die zu schauen abends noch einmal geraten war. Und das<br />
war abgelaufen ohne Zwischenfälle, und Punkt 22 Uhr waren wir im Speisesaal angekommen,<br />
um den Fernseher auszuschalten. – „So, das war’s für heute, meine Herren, ab mit Ihnen in<br />
die Betten“, hatte der Hausvater gesagt, und die da gesessen hatten, waren aufgestanden, davongeschlurft,<br />
und ich gemeint, als alle raus waren: „Komisch, dass keiner gemurrt hat.“<br />
„Warum sollte einer murren? Um zehn ist Schluss, das wissen sie doch alle.“<br />
„Ja, ja, aber nun haben sie ja von dem Krimi das Ende verpasst.“<br />
„Na und? Glauben Sie mal ja nicht, dass die das interessiert. Was hier in dem Kasten<br />
läuft, ist ihnen völlig egal, Hauptsache, das flimmert.“ Was Bruder John am anderen Tag<br />
nicht anders sah. – „Keine Illusionen, Bruder Mathesius. Die alten Leutchen hier, die haben<br />
nahezu an nichts mehr Interesse. In denen funktioniert mehr oder weniger nur noch ein gewisser<br />
Automatismus: das Warten auf die nächste Mahlzeit. <strong>Das</strong> mag Sie erschrecken, und das ist<br />
auch zum Erschrecken, aber das ändert nichts daran, dass es so ist. – Aber jetzt mal was anderes:<br />
Sie haben gestern abend bei der Medikamentenvorbereitung für heue morgen nicht zufällig<br />
schon mitgemacht?“<br />
„Nee, nur zugeguckt.“<br />
„Von weitem?“<br />
„Ja, wieso?“<br />
„Weil Ihnen sonst aufgegangen wäre, dass Bruder Paechter sich endlich mal ’ne Brille<br />
zulegen sollte.“<br />
„War was falsch, oder wie?“<br />
„Ja, ja, das Übliche. Ich hab’s aber ausgebügelt. War gestern viel los beim Spätdienst?“<br />
„Nee, eigentlich nicht. Ich fand, das ging ruhig zu.“<br />
„Und was sagen Sie zu dem Boche?“<br />
„Noch gar nichts. Da war ich gestern nicht mit.“<br />
„Ach so?“<br />
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