Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Sie, vergessen Sie mal alles, kommen Sie mal her, Bruder.“<br />
„Was haben Sie denn?“<br />
„Ich hab’ ’n Krampf im Been, ich komm nich’ alleene hoch. Fassen Sie mal zu.“<br />
„Ja, warten Sie, ganz ruhig. – So, schön vorsichtig, und nun bleiben Sie erstmal steh’n,<br />
aussteigen können Sie immer noch. Und sich schön an mir festhalten.“<br />
„Ja, mach’ ich. Is’ Ihnen das peinlich?“<br />
„Nee. Und Ihnen hoffentlich auch nicht.“<br />
„Nee, geht ja nich’, ich hab’ Sie ja nötig. Au verdammt, tut det weh.“<br />
„In der Wade, ja?“<br />
„Ja, ja, links. Ich glaube, da platzt was.“<br />
„Nee, nee, da platzt nischt, das fühlt sich nur so an. Kommen Sie, ganz ruhig, ich helf’<br />
Ihnen.“ – Und da standen wir nun; der Herr Hüngen in der Wanne, ich vor der Wanne und<br />
einer den andern umklammert. – „Mein Gott, bloß gut, dass Sie da sind, Bruder. Was würde<br />
ich jetzt alleene bloß machen.“<br />
„Weiß ich nich’, atmen Sie mal lieber tief durch.“<br />
„Ja, ja, mach ich, Bruder. – Sie,. ich glaub’, das wird besser.“<br />
„Gut, dann kommen Sie mal raus aus der Wanne. Und dann setzen Sie sich da auf’n<br />
Hocker. Sie kriegen auch’n Handtuch, damit Sie sch vor mir nicht zu schämen brauchen. – Na<br />
kommen Sie, erst das rechte Bein. Kriegen Sie’s rüber?“<br />
„Ja.“<br />
„Aber sich schön an mir festhalten. – Ja, so is’ gut, und nun das andere Bein. Schön vorsichtig.<br />
– So, das wär’s,. Und nun setzen sich hin.“<br />
„Wissen Sie, dass ich schwitze; Bruder?“<br />
„Ja, ja, ich auch, Herr Hüngen. Sie sind ja ’n ganz schöner Brocken.“<br />
„Ja, ja, das hat sich so ergeben, seit ich... na ja, das haben Sie ja eben gesehen, dass ich<br />
keine Klöten mehr hab’.“<br />
„Was haben Sie nich’ mehr? Hier, nehmen Sie das Handtuch.“<br />
„Nee, lassen Sie mal, nich’ mehr nötig, Bruder. Nun wissen Sie doch eh schon alles.“<br />
„Was?“<br />
„Na gucken Sie mal her. <strong>Das</strong> is’ alles, was vierundvierzig von meinen Klöten übrig geblieben<br />
is’. So’n verschrumpelter Fetzen von Sack und nischt drin, alles wegoperiert. Als ich<br />
zu mir gekommen bin, war ich kein Mann mehr. Und das mit noch nicht mal ganz einundsechzig<br />
und mit dem Johannes hier, auf den ich immer so mächtig stolz war, und auf einmal<br />
hat er nur noch zum Pissen getaugt.“<br />
„Wie is’n das passiert?“<br />
„Bombenangriff. Bin verschüttet worden. Lag ’n ganzes Haus auf mir. Bin auch der einzige,<br />
den sie gerettet haben, alle andern war’n hin. Auch meine Lilli.“<br />
„Ihre Frau –“<br />
„Nee, nich’ so ganz. Meine Frau hieß Erna. – Helfen Sie mir beim Anzieh’n? Ich glaub’,<br />
ich bin noch ’n bisschen wacklig auf’n Beinen. Und von nun an können Sie mich ja auch<br />
nackt seh’n. Nun wissen doch eh, dass ich ’n Mann bin, der keiner mehr is’. Und was denken<br />
Sie, wie gern ich früher... na Sie wissen schon, Sie haben mit dem Geschlechtlichen doch<br />
auch so Ihre Erfahrung, stimmt’s?“<br />
„Ja, ja, hab’ ich.. – Kommen Sie, trocknen Sie sich erstmal ab, oder soll ich Sie?“<br />
„Ja, ja, machen Sie mal. Mir nur nich’ an’ Johannes kommen. Da haben Männerhände<br />
nischt zu suchen.“<br />
Ach Gott ja, der Herr Hüngen... Schicksale gab es. – „Was war’n Sie eigentlich von Beruf,<br />
Herr Hüngen?“<br />
102