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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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Und als der aus war, da ging es Großvater in Gottesruh sowieso allemal besser als uns. In<br />

Emmaus mussten’se doch wenigstens nicht hungern. Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber die<br />

Anstalt funktioniert wie’n richtiges Dorf. Die betreiben da mit den Kranken ’ne Landwirtschaft.<br />

Wer von den Bekloppten noch irgendwie arbeiten kann, der muss sich auch nützlich<br />

machen, da gibt’s keen Pardon. Und dadurch können sie sich in Emmaus mit vielem selbst<br />

versorgen. Und das war der Grund, dass da nach fünfundvierzig keener hungern muste. Ihre<br />

Leutchen versorgen konnten’se da. Und das sind gar nicht wenig. Ich hab’ mal gehört, da in<br />

Emmaus haben sie sich um etwa siebenhundertfuffzig Insassen zu kümmern. Na ja, allein<br />

schon oben in Gottesruh sind ja um die Hundert. Und det sind nur die Alten. Aber unten im<br />

Dorf, das liegt so’n bisschen im Tal, das eigentliche Emmaus, und da findeste jedes Alter. Da<br />

hocken schon welche, die sind erst achtzehn. Und dann haben sie gleich hinter Bünow noch<br />

das Haus Bethlehem, das is’n Extra-Heim für ganz Junge, schon so ab vierzehn, fuffzehn, und<br />

das sind auch noch mal so um fuffzig Leutchen. – Ja, ja, Emmaus hat’s in sich, sag’ ich dir.<br />

Ich hoff’ mal, du bist hart im Nehmen. Det haste da nämlich nötig. Ooch wenn dir so was, wie<br />

ich das mit meinem Opa erlebt hab’, vielleicht nicht passiert. Aber sein kann ooch det. Und<br />

dann haste dich zu entscheiden, stößt’e den Mann vor’n Kopp oder machst ihm das bisschen<br />

Freude, wo’se da doch sonst schon nischt haben, die Männer. – Da schau mal, da vorn, da<br />

is’et schon, da kommt Bünow.“<br />

Und Bünow erreicht (Kirchplatz; Hirschwalder Chaussee/Ecke Emmauser Weg), kletterte<br />

ich aus dem Laster, und der Fahrer reichte mir mein Gepäck runter, den Koffer, die Aktentasche,<br />

und sagte: „Ick hab’ noch gar nich’ gesagt, wie ich heiße. Ick heiß’ Bertold, Bertold<br />

Neudecker. Ich wohn’ in Darneute in der Marchwitzastraße. Also wenn’de mal in Darneute<br />

bist... Marchwitza sieben. Aber an der Haustür die Klingel, die geht meist nich’. Musst einfach<br />

reingehen und dann nach ganz oben bis unters Dach. Da hab’ ich Stube und Küche. Is’<br />

nich‘ sehr komfortabel, regnet auch manchmal durch, aber trotzdem, ich würd’ mich freuen,<br />

wenn du mal vorbeikämst. Bertold Neudecker, wie gesagt. Marchwitza sieben. <strong>Das</strong> is’ ganze<br />

dichte am Stadttor.“<br />

„Schreib mir’s mal auf. Hast’ was zum Schreiben?“<br />

„Ja, warte – “<br />

Und lange brauchte es nicht, und mir wurde ein Zettel runtergereicht: „Hier. Steht alles<br />

druff. Wenn du willst, kannst’ auch mal bei mir übernachten. Kriegste mein Bett.“<br />

„Und wo schläfst du?“<br />

„Auf’m Fußboden, das macht mir nix aus.“<br />

„<strong>Das</strong> würd’ ich aber trotzdem nich’ wollen. Wenn, dann schlafen wir beide im Bett.“<br />

„<strong>Das</strong> is’ aber nur ’n ganz schmales. Da würden wir mehr aufeinander als nebeneinander<br />

liegen.“<br />

„Na und, so was is’ doch gemütlich.“<br />

„Ja, findste? Biste für so was zu haben?“<br />

„Du etwa nich?“<br />

„Doch, doch, ich schon. Aber jedermanns Sache is’ det ja nun mal nich’. Is’ doch mächtig<br />

auf Tuchfühlung.“<br />

„Na und. So was macht mir nichts aus. Ich heiß’ übrigens Jochen. Jochen Mathesius.“<br />

„Also Jochen?“<br />

„Ja, ja, Jochen.“<br />

„Und wie alt?“<br />

„Grad neunzehn geworden.“<br />

„Auweia, ich bin schon zweiunddreißig.“<br />

„Na und? Deshalb schlaf ich trotzdem mit dir in einem Bett. Wenn mir einer gefällt,<br />

mach’ ich alles. Der darf mich auch nackt sehen. Ich schlaf nämlich nackt.“<br />

„Ja, biste wirklich so eener?“<br />

„Was für einer?“<br />

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