Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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„Ja, ja, nun geh mal. Gute Nacht, Gitta, ich muss jetzt ins Bett. – Komm, Harri, jetzt legen<br />
wir uns hin.“ – Und so geschah’s. Gitta und Waldemar brav abgezogen, kam uns nix<br />
mehr in die Quere; Harri schüttelte die zerknautschen Federbetten auf, und wir krochen aufs<br />
Lager. – „Geht’s dir wieder gut, Jochen?“<br />
„Ja, geht’s mir.“<br />
„Aber wenn’de det allet vorher gewusst hättest, det von unsrer Mutter und so, denn wärste<br />
nich’ mitgekommen, stimmt’s?“<br />
„Kann schon sein, ja.“<br />
„Na da bin ick aber froh, dass ich davon vorher nischt hab’ verlauten lassen. Ich hab’ allerdings<br />
ooch gehofft, wir kämen drumherum um unsre Mutter, denn meist is’se um die Zeit,<br />
wie wir hier angekommen sind, schon mächtig im Rausch, und dann pennt’se, da weckt’se<br />
keener mehr uff.“<br />
Seit wann geht denn das so mit dem Alkohol?“<br />
„Na so ab Mitte fuffzig. So ab der Zeit, als sich die Kerle nich’ mehr von allene reihenweise<br />
um sie geschart haben, sondern wo’se sich direktemang an sie ranschmeißen musste.<br />
Manchmal denk ich, dafür säuft’se sich Mut an. Denn brauchen tut sie det Ficken wie wahnsinnig.<br />
Ich hab’ dir ja schon gesagt, unsere Mutter is’ne Nymphomanin. Und det hat ja ooch<br />
viele Jahre so quasi von alleene geklappt, dass’se Kerle in rauhen Mengen gekriegt hat. Aber<br />
irgenwann hat’s eben nich’ mehr so einfach im Selbstlauf geklappt, und da fing det an mit<br />
dem Saufen. Nicht gleich so dolle, aber so nach und nach, da wurde det Quantum beängstigend,<br />
wat’se pro Tag so wegschluckt. Aber trotzdem, Angst musst’ nich’ haben, an ihre Art,<br />
da gewöhnst’da. Und immer wieder mitkommen, det musste. Denn woanders wüsst ick für<br />
uns keen Bett, wo wir alleen sein können.“<br />
„Na das war’n wir aber jetzt eigentlich auch nich’.“<br />
„Ja, ja, ick hätt’ abschließen müssen. Aber ick war doch so geil uff dich, und da hab’<br />
ick’s vergessen. Nimm mir det bloß nich’ übel.“<br />
„Nee, nee, aber jetzt ganz zum Schluss, da hätt’ ick hier weg sein mögen. Auch wenn ich<br />
von Darneute aus hätt’ laufen müssen. Wie lange läuft man da eigentlich bis nach Emmaus?“<br />
„Na etwa zwei Stunden vielleicht. Det sind doch immerhin fast zehn Kilometer, und die<br />
zu laufen würd’ ick dir nich’ raten. Die meiste Zeit jeht die Chaussee doch durch’n Wald. Da<br />
kann dir sonstwas passier’n.“<br />
„Ja, was denn? Wenn mich einer ausrauben will, na dann bitte. Die paar Mark, die ich<br />
immer nur stecken hab’, die kann er haben. Und ansonsten? Was soll mir sonst noch passier’n?“<br />
„Na Vorsicht du, ufflauern kann einem jederzeit eener. Gesindel gibt’et nich’ nur im Westen,<br />
det gibt’et ooch bei uns, auch wenn davon nischt in der Zeitung steht. Det gibt zum Beispiel<br />
Lustmörder.“<br />
„Auf der Chaussee zwischen Darneute und Emmaus, ja?“<br />
„Du wirst lachen, grad da is’ schon zweemal wat vorgefallen. Det hieß dann zwar am Ende<br />
jedesmal, passiert wär’det Verbrechen woanders, nich’ da wo’se die Leiche gefunden hätten,<br />
det wär’ nich’ der Tatort gewesen, aber uffgeklärt sind die Fälle bis heut nich’. Zwee junge<br />
Männer. War’n beede erwürgt worden. Und uffgefunden hat man’se vollkommen nackt.<br />
Und jedesmal nich’ weit vom Wiesinger-Hof, und da musste vorbei, wenn du zu euch läufst.<br />
Det is’ so etwa auf der Mitte der Strecke, da hört der Wald uff der eenen Seite für ’n Moment<br />
lang uff. Da gibt’s da ’n kleenen Tümpel, Teufelspfuhl heißt er, und wenn’de über den rüberkuckst,<br />
siehste auf der andern Seite vom Teufelspfuhl Felder und ’n alleenstehendes Gehöft.<br />
Sieht mächtig runtergekommen aus, und der Bauer, dem det gehört, der heißt Wiesinger. Der<br />
is’ so Ende Vierzig und der soll im Kopp nich’ ganz richtig sein. Der hat ooch keine Frau. Der<br />
bewirtschaftet seine paar Hektar Land alleen mit zwee Knechten, ooch etwa so alt wie der<br />
Bauer, und mit denen soll genauso wat nicht stimmen. Schon alleen, wie die Drei rumloofen,<br />
da kann wat nich’ richtig sein. Die seh’n etwa aus wie Rasputin, völlig zugewachsen. Haare<br />
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