Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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von unsern Pflegerväter mit ins Bett genommen werden. Aber das müssen wir ja jeder. – Sie,<br />
Bruder, wollen Sie nich’ endlich mit mir rübergehen auf die Wiese?“ – Ja, wollt’ ich das?<br />
Meine Frage nach der Uhrzeit war eine rein rhetorische gewesen; ich hatte, obwohl meine<br />
Armbanduhr keine Leuchtzeiger hatte, selbst schon ausgemacht, dass es so zwischen halb und<br />
Dreiviertel zwei sein musste, aber jetzt dem Richard was abschlagen, das mocht’ ich nicht;<br />
der war doch so zutraulich. – „Du, Richard, aber nich’ mehr lange, höchstens bis halb drei,<br />
ich hab’ morgen Dienst.“<br />
„Ja, ich weiß, deshalb können Sie ja auch morgen vor halb neun nich’ unten bei uns ankommen.<br />
<strong>Das</strong> hat uns Bruder Kurze schon gesagt. Der hat auch gesagt, dass wir dadurch, eh<br />
er und Bruder Böhme Sie so weit haben, dass wir dazukommen können, det könnt’ Mitternacht<br />
werden, wenn es wat wird. Aber det stimmt ja nun nich’ mehr. Harri will ja jetzt bei<br />
seinem Patenonkel noch anrufen, det hat er doch vorhin gesagt, und dann weiß Bruder Kurze<br />
ja Bescheid, und Bruder Böhme auch, und dann können Sie ja beede schon ihre Vorkehrungen<br />
treffen, und det kürzt doch allet ab. – Kommen Sie, Bruder, geh’n Sie mit mir da rüber,<br />
ich möcht noch so gern mit Ihnen zusammen sein, genauso wie Harri, ich lieb’ Sie genauso –“<br />
„– ja, ja, is’ ja gut, Richard, komm’ lass uns geh’n, bring’ mich rüber. Müssen wir da unter<br />
der Straßenlampe durch?“<br />
„Nee, nee, müssen wir nich’, Bruder, keine Angst. Wir gehen gradeaus rüber zu den Appelbäumen,<br />
und da weiß ich schon, wie wir quer geh’n müssen. – Kommen Sie mal, kommen<br />
Sie mit, ich führ’ Sie –“ Und mich an die Hand nahm eine große warme, nicht zu weiche,<br />
nicht zu harte Pranke; ihr Griff beherzt und zärtlich zugleich, und ich wurde, das spürt’ ich,<br />
sicher geführt. Rüber über die Straße, den Emmauser Weg, rein in die Apfelbaumplantage,<br />
und da dann schräg durch die Reihen, bis zu einen Feldweg, und den überquert, waren wir<br />
auch schon auf der Wiese hinterm Kirchengrundstück. – „Kommen Sie, Bruder, setzen Sie<br />
sich hin, hier is’et schön, und hier sind wir alleene, nur Sie und ich, und Sie sind ja so wat von<br />
hübsch, det seh’ ich sogar noch hier im Stockdunkeln. Sie, wenn ich gesund wär’, Bruder,<br />
dann würd’ ich mit Ihnen zusammenziehen wollen, aber det geht nich’, det weiß ich, ich muss<br />
unten bei den Brüdern bleiben, ich brauch’ da die Aufsicht, und ich hab’s ja auch gut, ich<br />
muss ja nich’ mehr in eenem der Häuser wohnen, wo’et so viele völlig Bekloppte gibt. Die<br />
können ja oft nich’ mal mehr sprechen, und die sabbern und so, und die pissen sich in die Hosen<br />
und so was alles. Sie, wenn ich immer noch bei solchen wohnen müsste, Bruder, dann<br />
hätt’ ich wohl schon zugesehen, ob ich mich nich’ umbringen kann, aber dadurch dass ich zu<br />
tischlern verstehe, da bin ich ja jetzt in unserer Wohngruppe, und da sind ja zum Glück nur<br />
wir vier und die beeden Brüder, und die sorgen für uns. Na nich’ für’s Essen, det holen wir<br />
aus’m Martin-Luther-Haus, aber ansonsten sind wir unter uns, da wohnen wir doch gleich<br />
neben der Werkstatt in dem ehemaligen kleenen Stall, den sie vor etlichen Jahren umgebaut<br />
haben, damit wir vier da wohnen können. <strong>Das</strong> war die Idee von Bruder Kurze und Bruder<br />
Böhme. Die wollten, dass ihre Werkstattleutchen so was wie ’ne Familie bilden, weil man<br />
dann auch viel besser miteinander arbeitet, und wir müssen ja viel arbeiten. Was denken Sie,<br />
wat in den Häusern allet kaputtgeht, und außerdem bauen wir ja auch noch Särge. Wissen Sie,<br />
dass wir oft von morgens sieben bis abends sieben arbeiten? Aber dafür haben wir’s ja auch<br />
saumäßig gut, det haben sie ja vorhin vom Harri gehört, was wir alles dürfen, und nich’ nur<br />
bei so’m Fest, wo wir immer so Viele sind. Nee, det is’ immer so, Bruder. Mindestens eener<br />
von uns darf nachts immer zu den Brüdern. Heute is’ Albert dran. <strong>Das</strong> geht bei uns strikte<br />
gerecht zu. Dafür sorgen die Brüder. Die sind mächtig gut zu uns. Nur dass sie nicht mehr<br />
ganz jung sind. Ich hätt’ ja lieber immer so wat Junges wie Sie, Bruder. Obwohl die andern<br />
von uns ja auch nich’ alt sind, aber erstens sind det ja auch bloß solche wie ich, die sind ja<br />
auch alle krank, und außerdem so richtig gut ficken, det kann eigentlich nur Herbert. Albert<br />
und Helmut, denen steht er nicht oft. Die können mich nur manchmal. Und Bruder Böhme,<br />
der fickt einen ja auch nich’. Den muss immer Bruder Kurze und Herbert. Und mich haben sie<br />
auch mal dazu gezwungen, ich auf’m Rücken, und Bruder Böhme hat sich auf mich raufge-<br />
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