Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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Schritt mehr gehen konnte, wurde morgens im Nachthemd (vorn normal lang, hinten der<br />
Hintern frei) vom Bett aus auf einen Rollstuhl gesetzt, auf einen aus Holz gefertigten und unterm<br />
Sitz zwecks Notdurftverrichtung ausgestattet mit einem per leichtem Handgriff zu öffnenden,<br />
zu verschließenden Schieber; und mit diesem speziellen Sitzmöbel ward der Mann an<br />
ein Schreibtischchen geschoben, das neben dem Fenster stand. Und zur Mittagsruhe ging’s<br />
retour aufs Bett, nach der Mittagsruhe wieder retour an den kleinen Tisch. Aber um all dies<br />
mich zu kümmern hatte ich allenfalls, war Bruder Lorenz mal nicht im Dienst. Ansonsten war<br />
ich mit Herrn Boche nur konfrontiert, hatte ich Spätdienst oder ich übernahm für einen anderen<br />
Spätdienstler, den Abenddienst an Herrn Boche. Bruder Lorenz war solches recht, dem<br />
Hausvater war solches recht, nahm ich ihnen ab, Herrn Boche abends ins Bett zu verfrachten;<br />
und Herrn Boche war es rechter als recht, wenn ich statt eines Anderen kam. Nach knapp vier<br />
Wochen hielt es der Mann schon schier für selbstverständlich, weil für sein gutes Recht,<br />
mehrheitlich von mir zur Nacht gebettet zu werden. – „Sag mal, Junge, was war denn gestern<br />
Abend in Dich gefahren? Warum hast Du denn den Paechter auf mich gehetzt? Ich hatte mich<br />
felsenfest darauf verlassen, dass ich von dir ins Bett gebracht werde.“<br />
„Hat sich nicht ergeben, Herr Boche. Und Spätdienst hatt’ ich ja nich’.“<br />
„Ja, ja, weiß ich, Paechter hatte Spätdienst, aber das ist doch kein Grund, dass Du Dich<br />
nicht um mich kümmerst. Du weißt doch ganz genau, wie lieblos die Anderen mit mir umgehen.<br />
Du bist hier doch der einzige mit Herz. Also nimm Dich abends auch gefälligst meiner<br />
an. Scher dich her, so oft es geht. <strong>Das</strong> bisschen Zeit wirst du ja wohl erübrigen können für so<br />
einen elenden Menschen wie mich“, hatte Herr Boche mir zu verstehen gegeben, als ich an<br />
seinem Fenster vorbeigekommen war, vom Hausvater beauftragt, bevor ich nach dem Frühstück<br />
das Übliche machte, erst einmal die Blumenrabatte hinterm Haus 3 zu richten, da wäre<br />
mal wieder einer in die Zwergdalien gelatscht. – „<strong>Das</strong> ist da hinten zwar eigentlich Bruder<br />
Lorenz’ Aufgabe, aber für das Gärtnerische hat er kein Händchen. Machen Sie das mal fix,<br />
dann sieht es wenigstens wieder nach was aus. Und viel Zeit nimm das ja nicht in Anspruch.“<br />
Nein, viel Zeit hatte es nicht in Anspruch genommen, aber daraus gelernt hatte ich erstens,<br />
sich doof stellen, schützt vor Arbeit, und zweitens, legte ich es mal auf einen unangetasteten<br />
Feierabend an, war tunlichst zu vermeiden, tagsüber Herrn Boche in den Blick zu geraten.<br />
Und als mich dann an diesem Nachmittag Bruder John auf Boches Anranzer ansprach,<br />
obwohl Bruder John vormittags davon nichts mitgekriegt haben konnte, begriff ich nebenher<br />
auch noch, in Gottesruh gab es mehr Augen, mehr Ohren und mehr Zuträger, als mir lieb<br />
sein konnte. Und wollt’ ich mich nicht nach der Decke strecken müssen, die man mir zumaß,<br />
oder schneller in Ungnade entlassen werden, als ich in Gnade eingestellt worden war, hieß es,<br />
wachsam sein; listig wohl auch. Beides Verhaltensweisen, die Fähigkeiten verlangten, die mir<br />
nicht gerade in die Wiege gelegt worden waren, und sie mir bisher erworben... na ja, eher weniger.<br />
Wachsamkeit und Listigsein waren mir in meinem Elternhaus nicht gerade häufig nötig<br />
gewesen, um mich nach meinem Gusto tummeln zu können. Dies und das lieber verschweigen<br />
und ab und an eine Notlüge gebrauchen, das ja, aber das war’s dann auch schon. Gelernt,<br />
Acht zu geben wie ein Luchs, weil geübt, wie man es anstellt, dass einem niemand auf die<br />
Schliche kommt, hatte ich nicht. Und da hatte ich nun schleunigst was nachzuholen, wusst’<br />
ich, nachdem Bruder John unser Gespräch für beendet erklärt und mich wieder meiner Nachmittagsarbeit<br />
überlassen hatte, und mir, wie ich da nun wiederum am Putzen war, durchaus<br />
auch noch im Hinterkopf Herrn Schuberts Offenbarung, die mir angezeigt hatte, dass man mir<br />
abends ins Zimmer äugte. Konnt’ zwar sein, dass das lediglich bedeutete, Bruder Lorenz ergötzte<br />
sich an meiner Nacktheit, und dann war wohl nichts zu befürchten, allenfalls eine weniger<br />
dezente Annäherung zu erwarten, vorausgesetzt, Lorenz traute sich, aber wer sagte mir,<br />
dass der Mann tatsächlich deshalb oder nur deshalb abends im Dunkeln hinterm Rhododendronstrauch<br />
stand. Möglich doch ebenso, dass dieser Lorenz meine spätabendlichen Gewohnheiten<br />
auszuspionieren einen unlauteren Drang hatte oder/und vom Hausvater womöglich<br />
auf mich angesetzt war, doch mal ab und an ein Auge auf meine Freizeitgewohnheiten zu<br />
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