Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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„Ja, ja, sollt man nicht denken, aber lassen Sie sich nicht von seiner Hinfälligkeit täuschen.<br />
Dem ist inzwischen durch die Krankheit zwar jegliche Mobilität versackt, kann nur<br />
noch rumsitzen, rumliegen, aber den gewissen Trieb, wenn Sie verstehen, was ich meine, also<br />
den hat es bisher noch nicht ausgelöscht. Im Gegenteil. Also seit Sie hier sind, ist es noch<br />
nicht wieder vorgekommen, aber ich musste schon mehrmals Boches wegen Doktor Sauer<br />
rufen, unsern Anstaltsarzt. Und wissen Sie warum? Boche hat ab und an eine Spritze nötig,<br />
damit sich an ihm wieder was normalisiert. Nämlich die Durchblutung. Die spielt in dem<br />
Mann mitunter verrückt, und dann kommt es zu einer stundenlangen, und wohl auch mächtig<br />
schmerzhaften Dauererektion. Kann krankheitsbedingt sein, kann aber auch sein, Boche manipuliert<br />
an sich, hat dann aber bisweilen nicht mehr die Kraft, das bis zur Ejakulation durchzuhalten.<br />
Und dann besänftigt sich nicht wieder, was er an sich angerichtet hat. Und seit das<br />
vor knapp fünf Jahren mit dem Bruder Oberländer passiert ist, neige ich eher zu der Annahme,<br />
der Boche bringt sich das selbst bei. – So, das musst ich Ihnen alles mal unterbreiten, damit<br />
Sie Boche gegenüber auf eine gewisse Distanz achten. <strong>Das</strong> wird den Mann dann hoffentlich<br />
davon abhalten, Ihnen unsittlich zu kommen. Und wenn nicht, ihn ganz energisch in die<br />
Schranken weisen: Noch mal, und Sie würden ihn anzeigen. <strong>Das</strong> fruchtet bei Boche auf Grund<br />
seiner Vergangenheit garantiert auf Anhieb. – Ach ja, apropos Vergangenheit. Lassen Sie es,<br />
wie gesagt, unwidersprochen stehen, wenn Ihnen hier jemand damit kommt, wie schlimm es<br />
dem Boche durch die Russen ergangen ist. Alles so hinnehmen, wie es Ihnen erzählt wird.<br />
Machen wir wenigen, die es besser wissen, auch. Zu denen übrigens Pastor Kluge nicht gehört,<br />
dem hat die Witwe seines Vorgänger auch nur die Geschichte von der angeblichen Notwehr<br />
gegenüber einem russischen Soldaten hinterlassen. Was übrigens auch die Variante ist,<br />
die Bruder Paechter nur kennt. Und ich offiziell auch nur. – So, das war’s nun wirklich. Ich<br />
denk’ mal, nun sind Sie insoweit gerüstet, dass Sie ihr Mitgefühl für Boche nicht ins Kraut<br />
schießen lassen.“<br />
„Ja, ja, ich werd’ mich vorsehen, aber haben Sie damals eigentlich mal mit Herrn Boche<br />
gesprochen. Ich meine wegen der Angelegenheit mit diesem Bruder.“<br />
„Nein. Denn dazu hätte sich ja eine Gegenüberstellung nötig gemacht. Und die wollte ich<br />
dem Bruder Oberländer nicht antun. Der hat sich auch so schon genug geschämt. Und sich<br />
vor allem vor sich selbst geekelt. Denn eines blieb ja nun mal, am Boche masturbiert, und das<br />
bis zu dessen perverser Erleichterung, das hatte er schließlich. Ist an dieser Ferkelei wohl nur<br />
unschuldig schuldig geworden, aber Schuld auf sich geladen hatte er auf jeden Fall. Und mit<br />
der wird er wohl dereinst auch vor seinen Schöpfer treten müssen.“<br />
‚Ach du liebes bisschen‘, dacht’ ich und verständig nickt’ ich, der ich für Bruder Johns<br />
diesbezügliche Ansichten absolut kein Verständnis hatte, nur wusste, ich musste verdammt<br />
auf der Hut sein. Allerdings nicht vor diesem Herrn Boche im Haus 3, und dort in dem<br />
Zimmer, in dessen Pendant im Haus 2 meine Wenigkeit ihr Bett stehen hatte. – Nein, vor<br />
Herrn Boche auf der Hut zu sein nahm ich mir nicht vor, auch wenn ich den Mann jetzt<br />
durchaus mit anderen Augen sah. Aber das machte einzig seine mutmaßlich arg mit Schuld<br />
beladene Nazi-Vergangenheit, und nicht etwa die eventuelle Aussicht, von Herrn Boche irgendwann<br />
um eine gewisse Hilfestellung angegangen zu werden. Ja, ja, ich würde mich trotz<br />
des Bocheschen Riesengemächts... Opachen Emil absolut nicht übertrieben, aber trotzdem riss<br />
ich mich nicht darum, damit nähere Bekanntschaft zu machen; die Initiative müsste schon von<br />
Herrn Boche ausgehen, und es hatte bisher nicht den Eindruck gemacht, dass er das vorhatte,<br />
bisher hatte sich der Herr Boche mir gegenüber diesbezüglich, wie ich fand, ganz und gar<br />
zurückgehalten, aber selbst wenn er dieses sein Verhalten irgendwann aufgeben würde, also<br />
in mir wen sah, mit dem sich gut munkeln ließe... na ja, konnte es sein, ich erteilte ihm trotzdem<br />
eine Abfuhr, denn durch die Abenddienste war mir ja nicht nur des Mannes schmucke<br />
Gemächtsbeschaffenheit vertraut, sondern ebenso vertraut war mir Herrn Boches muskelschwundgezeichnete<br />
elende Körperlichkeit; Herr Boche ein Wrack. Der Mann, der keinen<br />
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