Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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von Bruder Hobler, und der kann nich’ immer, der hat ja ’ne Frau zu Hause, und wenn er da<br />
nich’ weg kann, dann kommen auch die beeden jungen Brüder nich’, dann dürfen sie nich’,<br />
weil er sie ja nich’ unter Kontrolle hat, wenn er nich’ dabei is’. Bruder Ladewig und Bruder<br />
Muskau, det sind doch seine Speziellen. Die dürfen von Andern nur wat hinten reinkriegen,<br />
wenn er’s mit ansehen kann. Wobei: ob sie wat heimlich machen, det weiß ich nich’, aber bei<br />
uns jedenfalls nich’. Det lässt Bruder Kurze nich’ zu, dass sie wat hinter Bruder Hoblers Rükken<br />
machen. Die haben Bruder Hobler nämlich Treue geschwor’n. Det is’ anders als mit uns<br />
Vier’n. So strenge werden wir nich’ gehalten. Wir dürfen nachts auch mal durch die Gegend<br />
laufen. Wat außer mir keiner von uns macht, aber machen dürften det alle. Müssen nur aufpassen,<br />
dass uns ja keener erwischt, sonst bringen wir die Wohngruppe in Gefahr. Und det<br />
will ja keiner von uns. So gut wie jetzt kriegen wir’s doch nich’ wieder, Bruder. Det wissen<br />
wir, wir hab’n et ja nicht im Gehirn, bei uns is’et ja nur das Psychische, womit wir draußen<br />
nich’ zurecht kommen würden. – Sie, Bruder, wollen Sie doch noch mal, ich würd’s wollen.“<br />
„Nee, nee, jetzt is’ Schluss, Richard. Jetzt steh’n wir auf und zieh’n uns die Hosen hoch.“<br />
„Ja, muss det sein? Hier is’et doch so gemütlich.“<br />
„Ja, ja, komm mal, hoch mit dir.“ – Und nun standen wir auf, und jeder brachte seine Hose<br />
in Ordnung. – „Wo geh’n wir’n jetzt am besten lang, Richard?“<br />
„Na hier weiter hinter der Kirche, da kommen dann doch die Kirschbäume. Und da<br />
schieben wir uns am Rand von der Plantage durch die Holunderbüsche und schon sind wir auf<br />
der Straße, genau gegenüber von Gottesruh, und von da flitz’ ich dann runter ins Dorf.“<br />
„Is’ das nicht zu gefährlich, wenn du jetzt einfach die Lazarusstraße langstiefelst?“<br />
„Wieso, die geh’ ich doch bloß bis zum Seeweg, und dann lauf ich untenrum weiter. –<br />
Sie, hier kenn’ mich aus, Bruder, da kriegt mich keiner gefasst. Ich kenn’ doch hier jeden<br />
Winkel. In der Beziehung können Sie wat von mir lernen, Bruder. Ach ja, wenn Sie nachts<br />
mal wat brauchen, und det nich’ grad Freitag, dann nicht hin zur Schneise, da is’ außer freitags<br />
nichts los. Die andern Tage brauchen Sie nur bis zum Wald gleich hinterm See. Da kriegen<br />
Sie so viele Hintern präsentiert, so viele können Sie gar nicht verkraften. – Na, dann<br />
kommen Sie mal, Bruder, ich nehm’ Sie an die Hand, damit sie nich’ stolpern.“ Und also<br />
ward ich geführt; runter von der Wiese hinterm Kirchengrundstück, Kirche plus nicht mehr<br />
genutztem Kirchhof; begraben, wurde inzwischen schon seit einigen Jahren auf einem Friedhof<br />
im Wald... „Sie, Bruder, bevor wir uns durch die Hollunderbüsche machen, müssen Sie<br />
mich aber noch mal küssen. Det tut mir so gut, und det krieg’ ich nich’ oft. Küssen tun mich<br />
die Wenigsten. Und die Brüder schon gar nicht, die küssen sich nur untereinander. Und wenn<br />
Harri mich küsst, dann immer nur, wenn er vorher jemandem einen geblasen hat, und det lässt<br />
er mir dann in’ Mund laufen, statt’et runterzuschlucken. Und det is’ ja nun auch kein richtiges<br />
Küssen.“<br />
„Und wie is’es mit deinem Bruder? Küsst du dich mit Detlef?“<br />
„Mit Detlef? Nee, damit darf ich Detlef nich’ kommen, Bruder. Detlef is’n Brutaler. Der<br />
haut ihn mir rein und legt los, und wenn er’s geschafft hat, dann will er von mir noch ’ne<br />
Fluppe, und dann werd’ ich auch schon stehen gelassen. Da is’ nischt mit Küssen. Und ich<br />
seh’n mich doch so nach Liebe, Bruder. – Warten Sie, noch nicht durch die Sträucher, erst<br />
küssen. So ganz ausführlich –“<br />
Und da standen wir nun zwischen den Kirschbäumen und nahe den Hollunderbüschen,<br />
durch die hindurch man auf die Straße kam, und Richard, mindestens ’n Kopp größer als ich<br />
und breitschultrig für zwei... also, ich war nun wirklich kein Hering, aber verglichen mit Richard,<br />
und das hieß: solange der mich nicht aus den Pranken ließ, kam ich nicht weg.– „Nee<br />
du, jetzt nicht mehr fummeln, Richard. Jetzt machen wir Schluss.“<br />
„Nee, machen wir nich’, Bruder. Jetzt wird Ihnen erstmal noch einer abgekaut.“<br />
„Nee, Richard, lass sein, jetzt will ich nich’ mehr.“<br />
„Aber ich.“<br />
„Aber ich nich’, komm, lass mich los.“<br />
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